hinführen

Bevor etwas einfach werden kann, wird es meist ungeheuer komplex. Mir fällt eine Szene ein, die fest verankert ist in meinem Gedächtnis. Ich lief durch den Wald und sah auf einmal zwischen zwei weit auseinander stehenden Bäumen eine winzige Raupe fleißig an ihrem Seil basteln. Das Seil war schon meterlang und schwang mit dem Tier hin und her. Würde mich das tiefe Staunen dieser Beobachtung nun nicht mehr loslassen und ich wollte herausfinden, wie das möglich ist, würde es sofort komplex werden. Ich würde mit allen fädenspinnenden  Raupen der Welt früher oder später in Kontakt kommen und hätte Bücher über sie und alles, was Menschen schon vorher über sie gewusst haben. Und dass die wunderbaren Rätsel der Welt anderen ebenfalls aufgefallen sind. So gibt es auch über den sogenannten inneren Weg tausende Bücher mit Anweisungen und Geschichten und Anekdoten und Ratschlägen und Formeln darüber, wie einer erreicht hat, von was er schreibt und nun möchte, dass andere angeregt werden zu diesem Weg, obwohl es nur einen gibt, eben jeweils den, den man geht. Nichtsdestotrotz braucht es die Anregung, den Kontakt mit der Materie, für die man sich erwärmt, die einen anspricht.  Auch dass man vom Weltgeschehen immer  einiges ausklammern muss, um klarere Umrisse zu finden von dem, was man selbst ist. Die Zerbrechlichkeit der eigenen Wahrnehmung zu stabilisieren, denn es kann doch leicht zerbrechen, was keine Fassung hat und nicht bedacht und begleitet wird mit Aufmerksamkeit. Mit Liebe, möchte man sagen und bremst sich der Komplexität des Begriffes wegen. Wir wissen von Händen, die tagsüber Vergasungsbefehle gaben und nachmittags über Kinderköpfe streichelten, so als könnte beides miteinander vereinbar sein. Das Kennenlernen von sich selbst unterliegt keinem Zwang, und Gefängnisse sind nicht berühmt für Erleuchtungen, eher für Stumpfsinn und Schwächung des Augenlichtes. Ich habe irgendwann einmal angefangen, meine Innenwelt (u.a.) als ein Rotationssystem zu sehen. Das heißt ich erlaube mir zu surfen, wohin ich mein Denken führen möchte, lasse aber genug Raum, um Beweglichkeit zu gewährleisten. Damit sich nichts verbohrt und keine Welle zu attraktiv wird, um in ihr verloren zu gehen. Vieles gilt es erst einmal zu unterscheiden, dann die Entscheidungen zu benennen, dann nach Wegen forschen sie umzusetzen, wenn sie einem wesentlich erscheinen. Dann, nach Jahren in den scheinbar paradiesischen Anlagen des Labyrinthes entdecken wir wie durch Zufall ein Tor oder einen Satz oder einen Vogelschwarm, und die Strukturen lösen sich auf, weil sie getan haben, was nur sie konnten. Nun also weiter. Mal sehen, wo es hinführt.

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