hilflos


helpless
Furuzan bittet mich am Telefon darum, ihr zu helfen, ihren Bruder aus Afghanistan herauszuretten. Sowas wie eine letzte Verzweiflungsregung, obwohl wir beide wissen, denn sie muss es auch wissen, wie vollkommen aussichtslos das im Augenblick aussieht und die Lage am Flughafen immer brenzliger wird. Schreckliche Dinge geschehen, und vor allem, wenn man auf irgendeine Weise damit in Verbindung kommt, kann man das Ausmaß der Hilflosigkeit spüren, das einen anrührt, wenn es tatsächlich keine Hilfe mehr gibt. Jetzt gibt es dank der Smartphones die Nähe der Not, aber nicht unbedingt ihre Behebung. Ein vollkommen heimatloses Kind wird in einer Evakuierungsmaschine geboren, ein Mädchen, dann zieht auch das vorüber. Manchmal taucht viel später jemand auf, der oder die das Unvorstellbare überlebt hat und Eigenanteilsanspruch  erhebt auf eine Geschichte. Oder man erfährt etwa in den Nachrichten, dass durch verborgen bleibende Vorgänge die Gebeine von Josephine Baker ins Pantheon der Halbgötter verfrachtet werden, weil sie so viel mehr war, stellte man fest, als eine Bananentänzerin. Und genau von diesem Bananentanz hörte ich schon als Kind von meiner Mutter, die in Paris eine Tanzperformance von Josephine Baker in den Folies Bergère gesehen hatte und außer sich war vor schamhaftem Entzücken über den Vorfall des Abends, denn sie, J.Baker, hatte ein Schamhaar entnommen aus ihrem Kostüm und es einem Besucher geschenkt, ziemlich verwegen, muss man schon sagen. Ich hörte auch damals schon von den vielen adoptierten Kindern, die sie hatte und man kommt aus dem Staunen selten heraus, wenn man bedenkt, was ein Menschenleben so alles an unterschiedlichem Werk beinhalten kann. Irgendwann kommt unversehens ein Punkt, an dem es einen großen Unterschied machen kann, wie man die Zeit verbracht hat. Damit man den verbleibenden Zeitraum wertschätzen kann; für das Wesen, das man hineingeatmet hat in sie, sodass sie sich in Verbindung bringen lässt mit unserem Tun, unserem Denken, und letztendlich unserem Sein an sich, in dem sich das Tun ergibt. Das ändert wenig an der Tatsache, dass ich nichts tun kann für Furuzans Bruder, denn ich spüre schmerzhaft diese Hilflosigkeit, die mich anweht. So wie einem ein Tier oder ein Mensch unter den Händen wegsterben kann, und lässt einen untröstlich zurück.

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