abgelegt


Die Untauglichkeit abgelegter Masken
Was heißt hier abgelegt, oder wenn ja, w a s abgelegt? In der Krise muss so vieles erzwungenermaßen abgelegt werden, sodass eher der Hunger bedacht werden kann, mit dem man etwas zurück möchte, durch das man sich beraubt glaubt, oder auch wirklich ist. Eine Frau (es war Nora Gomringer) meinte in einem Interview, ihr fehle vor allem das Kino, was mich wiederum überrascht hat. Ich fühle mich da nach wie vor verbunden mit dem sokratischen Gedanken (oder was man für seinen hält), dass es eben sehr vieles gibt, was man nicht wirklich braucht, und dass diese Einstellung ganz im Gegensatz zur beengenden eher eine befreiende Wirkung hat bzw. haben kann. Und wenn man die Spinnweben moralischer Standards, sofern vorhanden, mal abgebaut oder nie aufgebaut hat, heißt das ja nicht, dass es automatisch zu unmoralischem Handeln führt, was auch immer man darunter versteht. Es kommt vielleicht mehr darauf an, ob man für sich selbst ein guter Mentor ist oder eine gute Mentorin. Und so ein globaler Notfall wie die Pandemie eignet sich doch vorzüglich für das, was als Einfachstes deklariert, aber auf der Ebene des mühsam zu Erringenden im Menschen angelegt ist. Höhe jetzt nicht als die unerreichbare Zumutung eines Heiligenscheins gesehen, nein, sondern eben das Einfache an sich, das immer einer Hinterfragung würdig ist. Die uralten Fragen eben, die sich täglich als neugeboren empfehlen, was das eigene, persönliche Dasein unter Menschen betrifft, und was sie mir bedeuten, und wie ich sie wahrnehme, und ob ich sie überhaupt wahrnehme, oder n o c h wahrnehme, obwohl ich schon so lange mit ihnen lebe. Und draußen, denn es gibt ja noch ein Draußen, sind sehr viele von ihnen. Und man empört sich gerne darüber, wie die so sind, und sie könnten einen auch wirklich aus der Spur hebeln, hätte man daraus nicht schon eine Art Furche gemacht, also ein Fahrwasser, dem entlang man mit eigenem Kompass fährt. Nicht, dass dann die Gefahren überwunden sind, nein, sondern da fängt es ja gerade erst an, herausfordernd zu werden. Einerseits hat man sich trainiert in den Schutzmechanismen, und nach wie vor rate ich  Müttern zuweilen, ihre Töchter in Martial Arts Trainings zu schicken, da kann schon eine Menge Angst wegfallen. Aber Gefahren drohen ja immer, man kann auch den Verstand verlieren oder mit Lügengebäuden Wucher betreiben. Oder sich gänzlich abwenden vom Anspruch des Menschseins, wofür man wiederum den Anspruch für sich selbst formulieren muss, denn dann erst wäre er einsatzfähig und wirksam. Das haben wir auch mit (zum Beispiel) der Frau Kanzlerin gemeinsam, eben dass wir davon ausgehen können, dass sie tut, was sie kann, und das tut sie, und wir tun das auch. Selbst, wenn ich in meinem Refugium die Lage anders reflektiere. Nur sehe ich immer wieder, dass mir nur ein einziger Schalthebel wahrlich verpflichtend, oder besser ‚angemessen‘ vorkommt, und das ist der, der in meinem System zur Verfügung steht. Konfrontiere ich durch meine Navigationsfähigkeit Wellen und Stürme und habe gelernt, die Spitzen der Eisberge rechtzeitig zu erkennen, dann  weiß ich wenigstens, wer geschaltet hat. Und weiß auch, dass nach stürmischer See wieder Ruhe eintritt, oder das ruhige und gelassene Auge im Wirbelsturm schon anwesend und wachsam ist.

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