vorgehen


Die menschliche Tragödie
Eindeutig gibt es Momente, wo einem das Lachen nicht nur vergeht, sondern es findet sich keinerlei Anlass für heitere Gedanken. Obwohl man auch sagen muss, wenn ich so innerlich herumschaue auf das in der Welt Performte, dass mir kein Thema einfällt, das ein komödientenhafter Geist nicht in Schatten und Licht verwandelt hätte. Auch über das Meistgefürchtete, nämlich das Erlöschen der eigenen Existenz, gibt es treffliche Scherze. Ein tiefgreifender Ernst erzeugt sofort ausgleichende Leichtigkeit. Und sicherlich mussten sich in Trauerversammlungen schon viele Menschen zurückhalten, als sie sich erinnerten und die Mundwinkel automatisch hochgingen und im Schmunzeln landeten oder im Lieben. Man leidet ja nicht wirklich unter den charmanten  bis düsteren Schwächen  des Menschengeschlechts, sondern eher unter den Auswüchsen, die sich besonders in angespannten Zeiten breit machen. Ich baue gerade so ziemlich nebenher meine verbleibenden, sympathischen Fäden zum amerikanischen Geist ab, und es ist auch nicht das erste Mal, dass ich ein Land geistig und körperlich verlasse. Hier hätte ich gerne ein geräumiges Raumschiff zur Verfügung, um ein paar mitnehmen zu können, die noch andere, ferne Welten kennen lernen oder einfach raus aus der Misere beamen möchten. Ich nehme mal an, dass es in den meisten amerikanischen Häusern Waffen gibt, das muss man sich mal vorstellen. Wie kann man es Mordlustigen so einfach machen, könnte man sinnieren, obwohl man weiß, dass auch hier bei uns (in D.) entschlossene Mörder zu Waffen kommen, vielleicht nicht ganz so leicht. Und an diesem Punkt kommt es einem doch wie Wahnsinn vor, so vielen menschlichen Gehirnen zuzutrauen, dass sie sich selbst die notwendigen Richtlinien geben können, die vor größerem Unheil schützen. Und es stimmt auch, dass am Kernpunkt aller Tragödien Spieler und Spielerinnen gleichermaßen massiv ausgerastet sind, immer aus ähnlichen, bis heute nachvollziehbaren Gründen: Ein falsch verstandener Satz, ein verlorener Faden im Labyrinth, eine grundlose Lust auf Intrige, ein Zu-kurz-kommen am vermeintlichen Quell, eine Unschärfe in der Beobachtungsweise, ein In-Gedanken-verloren-sein. Woanders sein als da, wo man ist, und es dadurch für d a s halten, was es gar nicht ist. Nur, was ist es. Heute früh habe ich in den Nachrichten gehört, dass in Colorado schon wieder ein Massaker stattfand, da kommen einem 10 Menschen sehr viel vor. Oder zweihundert Bischöfe, die namentlich genannt werden in der katholischen Schrift wegen Missbrauch an Kindern, oder waren es Jugendliche, oder waren es Erwachsene. Auch die Opfer vom Schrebergarten werden namentlich nicht genannt, damit sie fortan geschützt bleiben können. Und ja, es ist spät. Oder kann man das Zeitgeschehen weiterhin ‚rechtzeitig‘ nennen? This is human nature, sagte Anil zu mir am Telefon. Tonnen von vergifteten Blumen (für die Götter) aus den Tempeln verpesten den heiligen Ganges, selbst als Göttin gesehen, und vielleicht ist der einzige Unterschied zu früher tatsächlich die Qualität der Materie. Eine vergiftete Blume ist keine natürliche Blume mehr. So spielen wir im fünften Akt bewusst oder unbewusst die Wissenden von den ‚Blumen des Bösen‘ (Charles Baudelaire) und sind aufgerufen, Entscheidungen zu fällen, die uns selbst betreffen und die persönliche Vorgehensweise im Spielraum.

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