undsoweiter

Klar, man bekommt unter all dem Zeug auch Brauchbares zugesandt, von dem man ausgehen kann, dass alle es verstehen (wie diese beiden Emojis zum Beispiel). Deswegen wird auch gerne auf Größen wie die Peanuts zugegriffen, die tragische Inhalte einigermaßen schmerzfrei verständlich machen können. Auch geht man vielleicht mal rüber zum Nachbarn und bittet um ein paar CD’s, die damals, gemeint sind  ein paar Tage (heute ist das neue Damals), noch nicht desinfiziert von einer Hand in die andere wechseln mussten. Aber dann war auch andrerseits alles so klar, die Luft, der Himmel, und dann mich durch den Tarantino-Streifen quälen? Abends schaute ich mal kurz in „Im Auftrag des Teufels“ mit Keanu Reeves und Al Pacino hinein, so als könnten die beiden keinen schlechten Film liefern, aber der war doch sehr langweilig, weshalb ich alsbald zum Ende des Filmes spulte, wo Al Pacino vor den zuschauenden Augen in ein Ungeheuer mutiert, also ein Wesen aus der schleimigen Dunkelwelt, das war ziemlich öd. Es erinnerte mich daran, als ich mit der Sterbebegleitung meiner Mutter beschäftigt war, dass mir auffiel, wie langweilig es mir draußen vorkam, und ich gerne zurückging, wo das Sterben stattfand und noch so vieles sichtbar wurde und möglich war, bevor auch das endete. Jede Ablenkung schien der Lebendigkeit des Prozesses nicht gerecht zu werden. Auch die Menschen, die jetzt weg von den Anderen sterben und die Leichenhallen bevölken, halten die unüberschaubaren Vorgänge (noch) im Zaum, also in Atem. Alle schauen gleichzeitig überall hin, und das mediale Texten versucht gar nicht mehr, des Kindes Geist zu verbergen, oder des Geistes Kind. In das bereits hochüberinformierte Ohr lässt sich noch dies und jenes hineinpressen an virologischen Meinungen, bis man sich, der eigenen, persönlichen Struktur entsprechend, freundlich lächelnd in das vertraute soziale Distancing zurücklehnt und immer mal wieder nachschaut, ob man auch tatsächlich bei sich ist. Heute Nacht im Traum, während der Supermond die Runde machte, lief ich mit jemandem auf einer Krankenstation herum. Überall lagen Leute in Betten. Eine Krankenschwester auf dem Flur saß auf einem Stuhl, vor ihr ein Schnurtelefon. Sie nahm an, ich sei eine Ärztin und bat mich, mich auf der Station zu melden. Aber eigentlich suchten wir nur eine Toilette, wo man mal pinkeln konnte. Nicht tief, aber immerhin haben sich die Krankenbetten in meine Synapsen sortiert. Manchmal am Tag schalte ich amerikanische oder indische Kommentatoren ein, die sich auch neben der Trump-Groteske immer wieder dem Kern der Sache zu widmen versuchen: das stattfindende Sterben. Überrascht das, oder bekommt man nur über die inhärente Verblüffung des Sterbenmüssens einen Zugang zum Unleugbaren, nämlich, dass es tatsächlich stattfindet. Oder verliert man jede Maßvorstellung und denkt auch: wie, nur vierhundertfünfundsiebzig Tote haben die dort und machen so einen Rabatz? Dann erfährt man ja auch wie nebenher, wer so alles im Jahr an was stirbt, das sind immer eindrucksvolle Zahlen, und dann die schwarze Pest als Superseuche, man denkt an „Tod in Venedig“, wo eine vollkommen nachvollziehbare Liebesobsession einen Herrn in den Tod treibt. Überhaupt: Venedig? Man erinnert sich gerne an solch wunderbare Orte, wo endlich mal keine Touristen herumtrapsen und vielleicht ein paar übriggebliebene Venezianer das genießen, wenn es denn möglich ist bei geschlossem öffentlichem Leben. Auch sich vielleicht die Sphinx vorzustellen, wie mal keiner draufschaut, und wie gut das allem tut, wenn  keine Giftbahnen über den Himmel ziehen undsoweiter.
Um dem inneren Triebwerk etwas entgegenzusetzen, basteln wir uns heute im C.D.W. (Corona Dampfer Workshop) einen maßgeschneiderten Auftrag.

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