staunenswert

Das Bild oben habe ich heute früh gemacht auf meiner Runde. Es war ein neu herumstehender, mit der beliebten orangenen Farbe bepinselter Stein, und dann dieses Bildnis darauf gesetzt, über das man denken kann, was man will. Ist man aber an der Erlernung des Staunens interessiert, ist Indien ein idealer Ort, eine Art lebendige Universität, wo sich die Fächer von selbst herstellen und darbieten. Es gibt schon den Lachkurs, und in Delhi habe ich in den Stadtgärten schon viele Lachkursler gesehen. Aber eine Staunensschule wird es wohl nie geben, denn es ist etwas, was man erfahren kann, aber nicht systematisch lernen. Fakt bleibt, dass man am Staunen interressiert sein muss, denn wie käme man sonst hinein. So leicht dahingesagt das Wort  auch ist, so bemerkenswert schwierig können die Bedingungen sein. Es gibt ja das helle und das dunkle Staunen. Obwohl…wie weit ins Dunkle kann ein Staunen gehen, ohne das Nektartröpchen der Kindlichkeit in den Labyrinthen der Machenschaften zu verlieren. Wenn das Naive sich einschleicht, kann es gefährlich werden. Man kann sich aber unterhaltsamen, eigens gestalteten Prüfungen unterziehen wie zum Beispiel um sich schauen und alles Staunenswerte wahrnehmen. Das Staunenswerte liegt doch auch im Wertfreien, den Blättern, dem Sand, den Wolken im großen Undsoweiter. Die Tiere natürlich. Auch die Menschen. Beim Hinausgehen am Morgen habe ich gesehen, wie der Besitzer von Babu, einem riesigen weißen Wuschelhund, dem kleinen braunen Affen, dem durch irgendeinen Unfall eine Hand verloren ging, eine Banane hinauf aufs Dach des Teeladens reichte. Ich hörte dann, dass der Kleine morgens erst weiterzieht, wenn er seine Banane hat.  Für ein halbwegs waches Auge ist es ja gefährlich, überall hinzuschauen, denn dann kann es passieren, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt und einen Faden braucht, um zum mühelosen Staunen zurückzukehren. Allerdings hatte ich auch gestern einen Anflug von dunklem Staunen, nur, um mal ein Beispiel, sozusagen aus dem nackten Leben, zu geben. In der Times war ein Artikel, der leicht zu überfliegen war, aber im Titel ungewöhnlicherweise mit „Women“ anfing. „Women can now work in underground coal mines“ war der ganze Titel. Ein Schatten legte sich leise über das Staunfeld. Frauen können also jetzt in unterirdischen Kohlenminen arbeiten. Dann ein Photo dabei von 3 sehr krank und lichtlos wirkenden Männern, die an riesigen Schubkarren tätig sind. Das Staunenswerte daran ist das Suggerieren der Worte, die einem einflößen, hier würde etwas Fortschrittliches in die Wege geleitet. Dunkles Staunen, nicht wirklich gesund, aber manchmal doch auch notwendig. Die unermessliche Möglichkeit des Menschen, zu allem fähig zu sein, macht oft den Weg frei vom Staunen zum Grübeln bis hin zum Kohlegrübeln. Dann ist es angebracht (und das ist auch zum Staunen), sich selbst durch Lichteinwirkung (von Smartphone bis Synapsenschalter) wieder in eine neue Spielfläche zu beamen, die einen zu neuen Abenteuern des Staunens führt.

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