entzyklen

Makar Sankranti ist der Name des Festes, das gerade hier abläuft. Einerseits ist es ein Drachenfliegfest, bei dem vor allem männliche Kinder und Jugendliche viel Freude haben, aber auch von den Terassen herunterfallen und verwundet werden von, was im Volksmund jetzt „Killer Manjhas genannt wird, eine chinesische Todesform im Kostüm eines Spiels. Die Schnüre werden mit Glas oder Stahlteilchen beklebt und sind verboten. Aber was heißt schon verboten. Die Polizei durchstreift den Bazaar und verdient an Verrätern, die wiederum ihre eigenen dunklen Geheimnisse haben. Tierliebhaber bauen seit neuestem extra Orte, wo verwundete Tiere behandelt werden können, vor allem Vögel, von Tauben bis Pelikanen und Flamingos, verwundet und flugunfähig. Zu dem Ganzen gibt es Technomusik aus jeder Richtung, das ist auch verhältnismäßig neu und gehört zu dem völlig enthemmten Trieb, endlich gehört zu werden, wenn auch nur über technische Kanäle. Alles muss laut sein, sonst ist es, als wäre man nicht da. ‚Man‘ hier nicht als Ich gesehen. Ich gehöre bei Sankrati zu der Gruppe, die durchhält, was sein muss, denn es gibt keine Fluchtpfade. Daher gedeiht es zur Praxis von irgendwas, über was ich noch nachdenken muss, oder auch nicht .Schließlich ist aufgeputschte Feststimmung überall, und immer noch geht es weiter mit den Pakoras, gewürzte und süße, und dann auch Kofta, runde Bälle mit Gemüse drin, von denen zwei einer mir schon leicht übersättigt vorkommenden Lunch-Vorstellung entsprechen. Alles wird seit Tagen angeboten, und manchmal gibt es gar keine Schlangen mehr vor den Geberkesseln, weil alle Mägen schon pappevoll sind. Natürlich sind es nicht nur die reinen Herzen, die sich hier froh zusammentun, sondern jeder Beteiligte, von den Geldgebern bis zu den Ölbrutzlern sind nur unterwegs, um ihr eigenes Karma aufzubügeln. Das kann rauschhafte Züge annehmen, wenn einem so ein Festtag das Gutsein ermöglicht. Ich finde es unangenehm und stelle mich dem Geberzwang entgegen, so gut ich kann. Die Kuhgrasverkäuferinnen sind an solchen Tagen besonders aufdringlich. Sie wollen mich fangen und entlarven, da kaufe ich  doch lieber ein Grasbündel, um zu entkommen. Es ist eine knifflige Frage, die mich schon öfters beschäftigt hat, heute mal als Frage an mich formuliert: warum stört mich das, wenn auf diese Weise gegeben wird? Der Gutmensch braucht die Anderen, damit er gut sein kann. Der himmlische Eintrag ins goldene Bich der guten Taten ist aber nur für ihn bestimmt. Ich beobachte, dass diese Einstellung in den Häusern eine Leere verbreitet, eine Trostlosigkeit, eine Lieblosigkeit, die in meinen Augen keine gute Lösung der menschlichen Situationen hervorbringen kann. Ist das nicht doch ein bisschen zu einfach, sich den Gott als ideales Gegenüber zu basteln, und zuhause brodeln die Höllenkeime. Wer soll sich denn darum kümmern? In der Zwischenzeit schaukelt sich  das Festival hoch und die Stimmung ist aufgeheizt vom Nehmen und Geben. Irgendwie hat es auch mit Zuckerrohr zu tun. Man schenkt in Zuckerrohr eingegebene Sesamkörner, gibt die hart gewordene Süßigkeit an Andere weiter und sagt;‘ nimm dieses süße Sesam (Til) und sprich süße Worte‘. Das kann man ja auch ohne Sesam und Zuckerrohr anstreben, Auf jeden Fall ist es angebracht, eine Einstellung zu solchen Festen zu haben. An Wundern fehlt’s ja nicht (und nie). Feste erinnern einen auch an die zyklischen Vorgänge des Daseins, aber auch an die Möglichkeit, nicht verhaftet zu sein an sie oder abhängig von ihnen für die eigene Befindlichkeit, damit auch unter Umständen die Illusion des Zyklischen sich auflösen kann. Warum nicht?

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