baden

Wenn ich morgens vermummt durch die Morgenkälte gehe und meistens unterwegs den Grasverkäuferinnen entkommen muss, die mit ihren Bündeln (Kuhfutter) vor den vorbeigehenden Nasen herumwedeln, dann noch ein paar Worte mit Prithvi wechsle, einem jungen, einbeinigen Bettler, dann vorbei an einigen Tempeltüren, dann sehe ich schon von Weitem die Lemuren, die in den ersten Sonnenstrahlen baden. Dann gehe ich auf meinen Sitz zu und mache dasselbe. Sonnenbaden. Wie beglückend und entspannend das ist, einfach eine Weile in der Sonne zu sitzen und auch von außen nach innen die Wärmezufuhr zu spüren. Die Inder staunen immer mal wieder über den Kerzenverbrauch von uns Westlern. Kerzen werden hier im Haus nur bei Stromausfall benutzt, was immer noch häufig genug vorkommt, und das stundenlang. Im Westen sind Kerzen eine Art Zuversicht, dass das Licht trotzdem brennt, und wer brennende Scheite in einen Ofen legen kann und dem Flackern zuschauen, ist schon gut dran. Hier genießen alle den Winter, weil da eine kurze Zeit die Strahlen der feurigen (und männlichen) Gottheit gnädig sind, und einige Monate später keine liebe Sonne mehr, in der man sich aalen kann. Die Kühe stehen jetzt am Morgen wie gebannt in der Gegend herum, die Hunde schlafen. Unterwegs erkundigen sich einige nach den heftigen Schneefällen, von denen sie in der Hindu Times gelesen haben. Habe ich auch gelesen, Bayern im Schneechaos. Wenn es nur diese klimatischen Abenteuer wären, die Menschen gemeinsam bewältigen müssten, ginge es vielleicht menschlicher zu. Manche Menschen sind gerne Helden und wenn sie das Heldenhafte vollbringen, fühlen sie sich gut. Auf der anderen Seite ist jedes Leben schlichtweg ein Heldenepos, man braucht nur die nötige Distanz, um es wahrzunehmen. Heute morgen am See, mit köstlichem Tee (chai), den Laxmi Kant in seinem winzigen Zimmer innerhalb des Tempelgeländes für uns macht, meinte der Priester, man käme doch an das Wissen ohne Guru nicht heran. Das sehe ich gar nicht so, bzw finde es völlig unzeitgemäß, vor allem aus offensichtlichem Mangel an solchen Geschöpfen, denen man zutrauen würde, brauchbares und notwendiges Wissen weiterzugeben. Und doch wird Wissen, was auch immer man darunter versteht, seit Urzeiten weitergegeben, so als könnte der Mensch, der einfach so lebt, gar nicht an „es“ rankommen. Dieses berühmte „Es“ kann man hier auch in ein „Ich“ verwandeln, bevor es weitergeht. Ist man an diesem Pfad interessiert, steckt man sich seine oder ihre eigene Route. Wer suchet, der findet, auch ohne Glaubenslehren. Man muss sich das selbst mal klar machen, was unsere gegenwärtige Zeit ganz wie nebenher anbietet: Zugang zu jeder Art Wissen, für das ich geeignet bin. Wie merke ich, für was ich geeignet bin? Ich betrachte mein Leben sorgsam und schaue, ob es mir gut tut. Wer ist verantwortlich, wer kann ändern, was nicht stimmt? Das ist und bleibt unter allen Umständen die selige Mühsal, einen guten Tag zu erschaffen, der meinen tieferen Bedürfnissen entspricht. Dass ich mich in der scheinbaren Ewigkeit langsam vergehender Tage selbst erkennen und feststellen kann: Ja, das bin ich, das ist der Grund meines Daseins: dass ich mich selbst erkenne, denn nur über diesen Weg kann ich alles andere erkennen. Wer wird mir sagen können, wer ich bin, auch wenn die klugen Sätze überall durch die Welt ziehen. Wie bastle ich sie um in meine eigene Erfahrung, meine ureigene Erkenntnis. Die einzige, die mir Resonanz geben kann auf das, was ich bin, jenseits vom Kreislauf der Geschichten und der Gedanken und der Erinnerung.

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