stille Sprache


Es gibt Menschen, die keinen Zugang zur Sprache haben, und andere haben keinen Zugang zum Schweigen. Es ist sicherlich angebracht, beides zu kennen, denn ansonsten, wie will man sich erkennen, wenn man das will. Wie es zu Behauptungen kommen kann, dass das Eine oder das Andere schwerer gewichtig sei, oder dass eines der beiden genügt, um Welt und Sein zu erfahren, hängt meist von den Geschichten ab. Wenn ein Kind in den Möglichkeiten seines Ausdrucks nicht gefördert wird, wie und von wem soll es die Mitteilung von sich selbst lernen. Denn die Resonanz, die ich in der Welt erhalte, hängt von Bild und der Mitteilung ab, die ich gebe, denn wie kann ich die Anderen verstehen (und sie mich), oder sehen, oder mich abgrenzen von ihnen. Wahr ist auch, dass das Wort, das nicht aus der Stille kommt, oft genug sinnlos ist. Aber auch die Stille ohne Wort ist bedeutungslos, denn sie kann eine Seinsqualität vortäuschen, von der niemand weiß, ob sie vorhanden ist, denn das Nonverbale ruht in der ewigen Kindheit,  in der Schweigende oft gebannt sind, bis es als Charaktereigenschaft getarnt werden muss. Es ist ja kein Makel, mehr im Bild zu sein als im Wort, aber nur beides kann in spielerischem Gleichgewicht die unangemessenen Ansprüche aufheben, sodass ich für ein gutes Spiel die Werkzeuge zur Verfügung haben muss und angemessen damit umgehen kann. In der meditativen Ausbildung waren immer wieder wunderbare Beispiele von vollkommener Überschätzung zu sehen, einerseits des Wortes, oder andrerseits der Stille. Viele  Lehrer sind in diesem Paradox gefangen, dass sie stundenlang am Tag irgendwo und irgendwie sprachlich vermitteln, was zu tun ist in der Stille und um die Stille herum. Immer mal wieder der Irrtum, irgendwo angekommen zu sein, wo es gar keinen Landeplatz gibt. Zu denken, man sei auf eine bestimmte Weise, dabei ist man vielleicht gerade dabei, sich zu verpassen. Beides, Stille und Sprache, können als Ausweichmittel dienen, um der leidlichen Arbeit ins eigene Bewusstsein aus dem Wege zu gehen. Ich kann mich an jemanden halten, der Sprache kennt und so tun, als hätte ich sie dadurch auch zur Verfügung. Dasselbe gilt für die Stille. Was ist Stille, und was ist das Wort? Warum sollte ich mir nicht erwerben, was im Angebot ist? Ist die Sprache nicht auch das einzige Instrument, das den eigenen Klang in den Dialog bringt? Es scheint so, dass auch Musik nicht ohne das Wort gelernt werden kann. Was dann noch dazukommt, hat denselben Raum unendlicher Möglichkeiten, mit denen das Spiel seine Nuancen vorträgt. Wer nur die Worte hat, hat sicherlich dadurch nicht das Sein, aber wer das Sein hat, hat eben auch die Worte. Wer kann es bezweifeln.

Das Bild zeigt meinen Kompass auf einem Tangram-Spiel.


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