Äpfel

Gut, nochmal eine blasse Familienidee aus den mnemosynischen Tiefen, die manchmal die eigene Hand ins von einem selbst Unwägbare führen. Wer ist der Vater, wer die Mutter? Oder sind es die Geister eines Schreckensmomentes, tief vergraben in einem Winkel des inneren Irgendwo, einer Kniekehle des Seins? Oder trifft es genau ins Zentrum des Nus, als ich noch nicht geboren war, aber kurz vor meinem Eintritt in die Welt stand, und meine Mutter erschöpft die steile Treppe des Arztes hinunterfiel und empört war, dass man sich vor ihrer Wundbetreuung die besorgte Frage stellte, ob das Kind wohl in Ordnung ist oder Schaden davon getragen hatte.. Wie schnell kann dem Kind was passieren, das will man sich ja nicht ausmalen, oder doch ein bisschen ausmalen, in einem traumgleichen,  bleichen Blau, man kann die Besorgnis um das Wohl des Kindes spüren, vielleicht war sie, die Besorgnis, ja da, und vielleicht alle dann doch froh und erleichtert, dass es alles hatte, was es zum anfangen braucht. Vielleicht tauchen die Bilder auch bei mir vermehrt auf, weil ich unterwegs bin am Ort meiner Mutter, wo sie ihre letzten Jahre verbracht hat. Da leben einige ihrer Freunde noch, man hat sie gern gehabt und zu vielem eingeladen. Ich war dann am Schluss ihres Lebens öfters bei ihr, denn in der letzten Zeit eines Lebens kann für die Sterbenden und die Lebenden noch viel passieren. Keine Garantie niemals. Nachts kam, erzählte sie einmal, mein Vater sie besuchen und forderte sie zum Tanz auf. Aber ihre Füße steckten fest im Gras, sie konnte nicht zu ihm gehen. Der Tod geht uns nichts an, sagt Epikur. Wenn wir da sind, ist er nicht da, und wenn e r  da ist, sind wir nicht mehr da. Aber es gibt auch Weisheitslehren, die das ganze Leben als eine Vorbereitung auf den Tod sehen, wer könnte das bestreiten. Ich war auch beim Nachbereiten des Todes meiner Mutter viel Kritik ausgesetzt, weil ich kein Grab für sie wollte, wo ich weitere Jahre mich um die Grabpflege kümmern muss. Es gibt wunderbare Friedhöfe, aber auch furchtbare. Es kommt auf die Verbindung an, die man hatte mit dem Menschen. Liebt man den Menschen, kann man trauern, aber man kann die Liebe nicht verlieren. Die Liebe ist hartnäckig und treu. Ich fahre also einen Tag herum an diesem Ort, wo sie gelebt hat, und muss mich um ein Stück Erde kümmern, das sie mir vermacht hat und das ich weitergeben möchte, denn ich will kein Stück Erde besitzen. Ich war sogar bereit, es zu verschenken, aber jeder, den ich fragte, hatte schon ein Stück Erde, auf dem ihr Haus stand. Als meine Mutter es kaufte, das Land, war es als Bauland gedacht, dann wieder nicht. Nun ist es ein Stück Acker mit alten Apfelbäumen, wo vielleicht noch ein Imker ein paar Bienenstöcke hinstellen könnte. Wenn die Äpfel reif sind, sind unsere Äpfel hier im Garten auch reif. Jemand könnte dort Apfelsaft machen lassen aus ihnen. Aber alle, die ich fragte, hatten schon so viele Äpfel und kamen vor lauter anderem Stress nicht mehr zum Apfelsaftmachen. Wen wundert’s.

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