religiös

 

Meine Eltern gehörten bewusst keiner Religion an, hatten aber auf dem entsprechend offiziellen Papier „gottgläubig“ stehen, das schien mir immer mal wieder ein gut gelöstes Problem. Aber was heißt schon „gottgläubig“. Sicher ist, dass Liebe und Gott als Themen gelten, um die kontemplierende Menschen nicht herumkommen. Wenn ich heute an meine „mystischen“ Erlebnisse denke, die ich in Indien zeitenweise unleugbar  hatte, fallen mir jetzt noch Schleier von den Augen. Es war auch nicht nötig, manche Visionen zu dekonstruieren, denn sie hatten ihren Platz und ihre Zeit, und jetzt denke ich: meine Güte, was man nicht alles sehen, denken und erleben kann, und man kann es auch nur so erleben, weil und wenn man im Moment des Geschehens keinen massiven Widerstand gegen das Erleben aufbaut. So entstehen Engel und Heilige usw. Und genau darin liegt die Gefahr. Jedes System muss, um zu überleben, zu den selben Mitteln greifen wie andere Systeme. Etwas wird glühend konzipiert (wie z.B.auch in Ehesystemen) und trägt einen vorwärts und hinein in die Geschichten, dann kommt oft eine Zeit geistiger Gefangenschaft, in der man sich frei wähnt, da man gewählt hat, was man für wahr und richtig hielt. Die Hauptsache ist, man bleibt nicht stehen, sondern hält Scheitern und Irren für möglich, das eigene, ja, und auch das der Glaubenseinrichtungen mit ihren Phantasiegewändern, ihrem Pomp und ihrer Show, ihren Klöstern und ihren Ashrams und ihren Galerien, wo sich regelmäßig und den Gesetzen der Wandlung entsprechend alles mal dagewesene Wissen langsam aber sicher manifestiert als das Vergessene und das Verlorene, das nur noch mit Krücken und Seilen aufrecht erhalten werden kann. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die inneren Dialoge so wesentlich sind, auch wenn man dafür streckenweise einen Gott wählt als lehrendes Gegenüber. Der als grenzenlos imaginierte, liebende Blick des (makelfreien) Vaters auf das Kind, in sowas kann man leicht steckenbleiben oder es mit einem lustvollen Fall auf die Kniee verbinden, wie ich es neulich in der Kathedrale beobachten konnte. Ich habe meine Gottgläubigkeit jenseits von Protestanten und Katholiken ausgelebt, wahrscheinlich, weil mir bei dem großen Verhüllungsrätsel der indische Gott Shiva attraktiver vorkam in seiner Rolle als Yogi und einfallsreicher Erotiker als die grausame Leidensgeschichte des sogenannten Heilsbringers, dessen Followers einst so wenig geliked wurden, dass man ihnen genüsslich beim Zerfleischtwerden zusah. Richtig, der lebendige Herumwanderer ist oft nicht die Lehre, aber offensichtlich brauchen wir die Lehre, zumindest um selbst enträtseln zu können, wer man auf dem Weg ist oder sein will und letztendlich, wer man sein kann. Beim Sein-Können ist man ja dann schon wieder allein in der Verantwortung, (wenn man bis da hin durchgehalten hat), denn wer um Himmelswillen könnte einem denn beibringen, wer man ist, auch wenn man höchste Achtung empfindet für Seelsorger und Helfer. Das Helfen ist nicht jedermanns Sache und nicht jedermanns Aufgabe. Wer soll bestimmen, für was ich geeignet bin, ist doch letztendlich jeder Schritt, mag er auch noch so bewusst sein, im Ungewissen verankert. Im Ungewissen kann man auch seelenruhig seinen Anker auswerfen, denn da ist nichts, in was er sich verhaken kann. Daher auch weg mit dem Anker. Eintauchen in das frische, unbesprochene Element. Und wenn irgendwo, wie im rechten Bild oben, einem ein gewichtiger Satz begegnet, der Anderen sinnvoll erschien, ruhig mal denken: so ein Quatsch! „Mache dir ein Joch! (steht zB unter der Figur) Zu was soll das denn gut sein, egal in welchem Kontext. So ein Jahrhunderte von Jahren alter Schwachsinn! Beim flüchtigen Vorübergehen konnte ich das Photo nur verschwommen hinkriegen. Da schwimmt sie den Fluss hinunter, meine religiös verbrämte Überlenbensstrategienweste. Und ward nicht mehr gesehen.

 


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