prachtvoll

Wenn dann, man weiß ja nie wann und ob überhaupt, im Mai auf einmal die Natur eine Performance hinlegt, die man nur paradiesisch nennen kann, müssen alle, wie zum Beispiel gestern am Sonntag, damit umgehen, denn es sind nicht die offenen Läden, die zum Zwangskauf animieren, sondern es ist die Fülle und der Reichtum des Schönen, die hervorlocken aus den Räumen und Zimmern und Fluchten und Schluchten des Daseins. Es ist kleinlich, an so einem Tag zu klagen, denn sobald man den Wirkungskreis der Sonne erreicht, setzt ein Wohlbefinden ein, das sich sträubt gegen die Widersacher im Inneren. Ich habe mich mal durch die karge Vermittlung eines Angehörigen  hineingewagt in die Vorstellung einer sibirischen Eiseskälte, in der die Gefangenen einfach durch Weitergehen das Unvorstellbare leisteten, aber genauso grausam stelle ich mir vor, wenn, wie zum Beispiel in Syrien, inmitten eines Krieges der Sommer ausbricht mit all seinem Glanz, und man versteht noch einmal besser mit unerbittlicher Klarheit, wer der Verfinsterer des Seins ist, wer der Vernichter, der in dieser Anmaßung  dahinwütet, als sei er Herr über Leben und Tod und hätte das Recht, das Leben Anderer zu kürzen. Oder Gottfried Benn, der mal die Furcht bzw den Wunsch ausgedrückt hat, nicht im Sommer zu sterben. Auch die Sonne kann gefährlich sein. Deswegen herrscht im Winter in Indien immer so eine Dankbarkeit als kollektive Grundstimmung, wenn sie, die Sonne, einen verlässlich erwärmt am späteren Morgen, und man kann sich hineinsetzen in ihre wohltuende Umarmung, und wenn man dann noch den Genuss schätzt, eigene Gedanken zu formen im Angesicht und in direkter Verbindung mit den Angeboten des Daseins, dann kann es sehr schnell gehen, dass nichts mehr fehlt. Wenn tatsächlich, hier oder dort, mal ein Rahmen erscheint, dessen Inhalt, wenn auch nur für Momente, nicht mehr als ein Fehlen deklariert werden kann, dann weiß man schon mal, wie sich das anfühlt. Wie, mir fehlt nichts, nur weil die Sonne scheint, und Blüten und Bäume eine gigantische Strahlkraft entfalten, und die Farbe Grün eine Intensität erreicht, die erschüttern kann, denn hier wird einem das „Drinsein“ so einfach gemacht, so als würde man direkt ohne eigenes Zutun ins Satori (Erleuchtung im Zen) geschoben und würde selbst erkennen, wie überflüssig es ist, jetzt den Artikel über „Ignaz den Furchtbaren“ ( „Zeit“: ‚Recht und Unrecht‘) zu lesen, wenn gerade die Chance läuft, sich mal von der Schönheit der Welt erschüttern zu lassen. Tun im Nicht-Tun, Mutter aller Weisheiten, hier kann man sie üben. Man kann, und muss meistens auch, den Tunsdrang einschränken, denn was lockt der schöne Tag nicht alles noch hervor an Vorstellungen, was man mit ihm „machen“ kann. Da ist der Sonntag eben ideal, auch wenn er von der Religion verordnet ist. Es herrscht mehr Ruhe. Und wenn es einem gelingt, sich darin aufzuhalten, ohne ständig an das zu denken, was man noch alles tun könnte oder müsste, dann könnte man mühelos beobachten, wie sich Tun im Nicht-Tun einstellt. Das Tun wäre nicht im Gehirn produziert, sondern von den Gegebenheiten natürlich erzeugt, und demnach wie ein Strom ergibt Eines das Andere, während die Ruhe einen begleitet. Je größer die Freiheit von zwanghaftem Tun, desto  mehr Freiraum für das, was sich tut und wirklich getan werden muss. Die Erfahrung der Praxis meditativer Wege“, vor allem aber ihre innere Ausrichtung auf erfahrbare, universelle Gesetze, kann hier nützlich sein, da man die Möglichkeiten des Seins kontempliert haben muss, um Sein als solches überhaupt wahrnehmen zu können.
Das mittlere Bild zeigt einen photographischen Ausschnitt der Tonfigur eines Yogi (von Ursula Güdelhöfer) ohne ausgeformte Gesichtszüge . Die Skulptur steht bei uns im Garten und überrascht immer wieder durch die Veränderungen, die sich durch
Lichteinflüsse und Wetter auf der schlichten Oberfläche des Tones abspielen.

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