Monsoon

Es ist ja nicht nur so, dass nur was vom Okzident in den Orient schwappt  durch die unzählbare Menge, die dort durchgewandert ist und weiterhin wandern wird, sondern es ist auch ganz schön viel herübergeschwappt und hat hier Fuß gefasst. Auch Yoga und Meditation erscheinen nicht zum ersten Mal im Westen. Ich habe ein Eranos-Jahrbuch aus dem Jahre 1933 von einer Tagung in Ascona, wo als damals gedankliche Koryphäen geltende Menschen ihren Beitrag gaben zum Thema „Yoga und Meditation im Osten und im Westen“. Man ist ja öfters mal konfrontiert mit dem Wunsch, Neues wahrzunehmen, dann sieht man: es ist nur ein anderes Kostüm“, von dem man sich hat beirren lassen, und vielleicht ist die Sucht nach dem Neuen selbst eine Art Kostüm, um eine der wesentlichen und unverrückbaren Essenzen der Welterkenntnis immer mal wieder galant zu vermeiden, indem wir vermeiden, was wir alle niemals wissen können, nämlich, warum wir da sind, und was wir hier tun. Nun ist also auch der Monsoon hierher gekommen einerseits, aber andrerseits etwas weiter so viele Waldbrände, und leider kann man die Wassermengen nicht hinüberleiten nach Portugal oder Frankreich, sondern muss sich mit dem eigenen Zustand während des Prasselns beschäftigen. Für einen richtigen Monsoon müsste es ja viel heißer sein. Statt dessen denkt man daran, die Heizung einzuschalten. Der gefürchtete Gründlichkeitsanspruch der Deutschen kommt gewiss nicht von Muße und Sonnenschein, sondern vielleicht eher einem sonnenlosen Misstrauen, das wir dem eigenen Wesen gegenüber pflegen. Der Inder sitzt in seinem Monsoon herumgrübelnd mit Anderen unter Dächern, die Deutsche (in dem Fall ich), sitzt allein vor den Tasten und tastet sich an die Befindlichkeit heran. Nein, nicht allein, was rede ich! Schon einen super guten Kaffee und ein Croissant liegen hinter mir und der Austausch mit den Menschen, mit denen ich lebe. Im Kontext einer gemeinsamen Arbeit, die uns zur Zeit beschäftigt, tauchte nochmal eine von uns gedanklich erzeugte Situation auf, zum Beispiel ein Publikum und eine Moderatorin und ein Gast, in der man innerhalb von drei Minuten eine als Zettel gezogene Frage innerhalb von 3 Minuten spontan beantwortet. Diese Woche hatten wir bei dem Treffen entschieden, dass wir mit Fragen kommen, auf die man persönlich antworten muss, also nicht die Möglichkeit, aus einer Rolle heraus zu antworten, sondern aus sich selbst heraus als sich selbst. Es gab eine Situation, wo die Befragte auf die Frage „wie oder was (oder wer) bin ich ganz persönlich“ nahezu die ganzen drei Minuten zwar mit den Händen etwas im Ozean herumfischte, letztendlich aber keine Antwort fand. Das kam mir bedeutsam vor. Sind wir nicht letztendlich das ganz und gar Undeutbare, ein von der Sprache losgelöstes Potential, das durch die Sprache zwar erst Kenntnis von sich selbst erhält, aber stets geht es nur von dieser Quelle des Sprachlosen aus, diesem Ausgesetztsein in eine Ungewissheit, die nie ein Wissen berühren oder verändern kann. Diese „azurne Einsamkeit“ kann nur durch  Liebe, gepaart mit Freiheit, beflügelt werden. Nicht, weil ich den oder die Andere/n bei mir habe, sondern weil ich in der Liebe Menschen begegne, die meinem Sein als solch ein Ungewisses Raum geben können wie ich meinerseits dem Gegenüber. Dann erst die Worte. Ohne die Worte keine eigene erschaffene Wirklichkeit, und ohne diese individuelle Wirklichkeit keine Präsenz, und dadurch kein Wohlgefühl in der Mitte von Welt und Gesellschaft. Das Mysterium des Menschseins balanciert geradezu auf diesem niemals zu leugnendem Ungewissen. Dass genau dieses tiefe Erkennen des Menschen von seinem Hineingeworfensein in das Spiel entweder zu der Sucht führt, sich bestimmen zu lassen von einer autoritären Struktur, die es anscheinend besser wissen soll als ich selbst, oder man ist bereits als Kind einer autoritären Struktur ausgeliefert, gegen die man erstmal keine Chance hat. Daher der zeitlose Hinweis auf das selbstständige Denken, das einem u.a. ermöglicht, die eigene Wertelatte rechtzeitig aus dem Weg zu räumen, damit der Blick auf die Welt nicht an Heiterkeit einbüßt.


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