angehen

Der großartige Satz von Epikur, nämlich dass „der Tod (das schauerlichste Übel), uns nichts angeht, denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr da“, ist immer noch wahr, sagt aber nichts aus über den Weg dorthin. Immer wieder mal hört man, dass jemand (wie neulich Tina Turner) „nach langer Krankheit“ gestorben ist, das klingt schwerwiegend, vor allem, wenn man versucht, glamouröses Scheinwerferlicht mit lebensbedrohender Krankheit in Verbindung zu bringen. Aber jede Wanderung bis hin zum letzten Tor ist, von der weltlichen Dramaturgie her gesehen, eine Herausforderung. Welcher Spielraum ist hier gegeben, um an der eigenen Life Performance noch teilnehmen zu können. Welche Belastungen werden von den automatisch Mitbetroffenen freiwillig und gerne auf sich genommen, günstigerweise dankbar die radikale Veränderung annehmend, mit der das Schicksal eines Menschen auf unser eigenes zu wirken beginnt, um bald wenig anderes zulassen zu können als eben dieses Abschiednehmen von allem, was wir uns auf der Erde vertraut machen konnten. In diesem Sinne ist es durchaus angebracht, den Vorgang episch zu nennen, da im Epos oder im Opus vorausgesetzt werden darf, dass die Spieler:innen sich ihres Be-Rufes bewusst waren, und nun, welch düster geführte Lenkung, wenn das bleierne Pendel auf eine/n der noch Lebenden trifft und sie oder ihn auswählt, die nötigen Vorbereitungen zu treffen, indem das Feld der Handlung wie durch Geisterhand bewegt wird in ein vollkommen neues und noch völlig unbekanntes Terrain, auf dem die Anderen langsam zurückweichen müssen, denn man kann wohl zusammen erschossen werden, aber nicht zusammen bewusst durch das Tor gehen. Auch das haben einige gemacht, oft geht es um Liebe, die sich in der weltlichen Begrenzung nicht gemeinsam sehen kann, wegen den üblichen Hindernissen, oder aus der Vielfalt menschlicher Mythen heraus, wo manches Erlebnisvermögen so groß ist, dass es sich der befangenen Umsetzung versagt. Auch von einer Lust am Untergang ist mir (zum Beispiel von meiner Mutter) vermittelt worden gegen Ende des Krieges, wenn Hoffnung nicht mehr angebracht war und die Leere sich in ein saugfähiges Schwarzes Loch verwandeln konnte, das die Gesetze von Haben und Sein gar nicht kennt, sondern nur mitnimmt, was sich zum Aufsaugen anbietet.  So ist es verständlich, dass hohe Kulturen wie die ägyptische oder die buddhistische sich aus ihrer Logik heraus bemüht haben, im Leben und durch das Leben die Kunst des Sterbens zu lernen, damit man nicht ganz unvorbereitet auf der Landebahn steht, wenn es Zeit ist, dem Unvermeidlichen ins Auge zu blicken, solange es auf uns zurückblicken kann.

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