wundern

 
Das Irgendwo im Nirgendwo
Bitte füllen Sie die fehlenden Buchstaben ein. Nein nein, ein Scherzlein. Als ich das Bild aus dem fahrenden Auto knipste, kamen wir aus einer raren Filmvorführung über den Psychiater R.D.Laing, die einem ermöglichte, mal wieder die Wirkung von etwas, was einen interessierte und was man gerne zuließ, als direktes Phänomen zu beobachten. Laing gründete an einem bestimmten Moment seines Werdegangs eine Wohngemeinschaft von schizophrenen Patienten und Patientinnen, die er davor bewahren wollte, eingeliefert zu werden, und lebte mit ihnen. Er war ein Freund des „Living Theatre“, in dem ich damals arbeitete und lebte, und ich kann mich an einige sehr herausfordernde Gespräche mit Laing erinnern, als er in Marokko ankam, um uns zu besuchen, während wir ein neues Stück probten. Auf seine Einladung hin flog ich irgendwann später nach London, um mir diese Situation anzuschauen,und kann mich erinnern, dass ich ziemlich erschrocken war über die dort herrschenden Zustände einer entgrenzten Freiheit dieser Leidenden, an deren Ausflügen in die Außenwelt alle Mitmenschen der Gegend sich beteiligen mussten. Wahrscheinlich war es auch für sie interessant, mitzubekommen, was man andrerorts nicht für normal hielt. Für normal hält man ja meistens, was man aus sich selbst gemacht hat, wobei das ziemlich abweichen kann oder auch muss von allem anderen, mit dem man es abgleicht, bis man einen eigenen Weg eingeschlagen hat oder aber die allgemeinen Kriterien für sich selbst annimmt und als stimmig empfindet. Es gibt kaum eine Gesellschaft, die Menschen ermöglicht, genug Raum und Zeit zu haben für das, was sie wirklich als ihren eigenen Weg empfinden, und so gehört es zum Alltag der Gesellschaften in den verschiedenen Kulturen, dass Menschen aus dem Raster fallen und sich nicht mehr einordnen können in das Drama, das ohne sie abläuft. Aber die Geschichte ist ja auch keine gesunde Geschichte. Es gibt überhaupt keine gesunden Geschichten, oder vielmehr: was i s t eine gesunde Geschichte. Man geht irgendwo hin und bekommt sogar mühelos eine Lücke auf dem Frauenparkplatz. Nicht die Maske vergessen, auch nicht das Handy, auf dem die Impfdaten gespeichert sind, und den Personalausweis, damit die Bedienung erkennen kann, ob man das auch wirklich ist. Man ist froh, dass man es ist und kann weitergehen. Vor dem Film hatte schon alles einen, allerdings eher angenehmen Hauch von Irrealität, man hat sich ja daran gewöhnt, nur noch Maskierten zu begegnen, das läuft wie am Schnürchen. Aber nach dem Film kam noch etwas hinzu. Es wurde einem klar, wie leicht der Aufbau des Daseienden einem vorkommen kann wie der pure Wahnsinn. Obdachlose leben ihr Leben genau so wie die HeimkehrerInnen aus der Philharmonie, die aus dem Untergrund hervorquellen, vielleicht noch eine Note Bruckner im Ohr. In der Weihnachtszeit hört man gerne von Wundern (oder auch nicht), aber unleugbar ist, dass es ständig da ist. Wir leben in einem selbstgebastelten Wunder, und niemand weiß, ob es daraus ein Erwachen gibt. Oder weiß man es doch?

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