verantworten


Gebärendes Auge
Tatsächlich ist auch das Auge ein Geburtsort. Innen wird vorbereitet, gebrütet, gedacht, betrachtet, wahrgenommen usw. Dann kommt es auf verschiedene Arten und Weisen entweder zum Wort, oder zum Blick, oder auch zur Körpersprache. Man trägt die Verantwortung, kein Zweifel. Nach längerem Aufenthalt im Menschsein wird einem klar, was das bedeutet, oder bedeuten kann. Die Deutungen und Auslegungen der Welt haben viel, wenn nicht alles mit den inneren Einstellungen zu tun, mit denen wir unterwegs sind, seit wir uns der Bedeutung des Ausdruckes bewusst wurden. Das geistige Geburtgeben unteliegt denselben Bedingungen wie das körperliche. Beide verdienen meines Erachtens mehr Aufmerksamkeit. Lassen wir einmal kurz die Völker beiseite, wo die Frau keine Wahl hat, ob sie einen Menschen, vorzüglich einen Mann, in die Welt setzen möchte oder nicht, aber auch hierzulande ist die Frage nach wie vor angebracht, ob dem ungeheuren Schöpfungsvorgang die Wertschätzung, die ihm zweifelsfrei gebührt, wirklich gegeben wird. Ich sehe die Frau nicht als jemanden, die sich dieses körperlich gebärenden Vorgangs unbedingt unterziehen muss, nein, ganz im Gegegnteil. Ich hatte mir selbst diese ernste Frage gestellt, ob ich  dafür geeignet bin, so eine lebenslange Verantwortung freiwillig zu tragen, und die Antwort war nein. Nur in Indien musste ich mich manchmal in den ersten Jahren den auf Mitleid getrimmten Blicken und Fragen der Frauen stellen, wo denn das Kleine wäre und der dazugehörige Erzeuger. Später begleitete mich aus denselben Augen eher der Neid, dass ich meines Weges gehen konnte, und vor allem wohin ich wollte, ohne dass es irgend jemanden gab, der mich davon abhalten konnte oder könnte. Wo die Verantwortung in den vergangenen Jahren aber zunimmt, ist den Worten gegenüber, vor allem aber dem Blick auf alles, auf mich, auf die Menschen, auf die Welt. Dieser Blick und diese Worte werden innen genährt. I c h füttere sie mit der Milch meines Wesens. Unter meiner Obhut entwickeln sie sich, und obwohl sie nicht alles sind, was ich bin, drückt sich das, was ich über mich weiß, durch sie aus. Die Welt, in der ich mich bewege, entwickelt sich gemäß ihres Verhaltens. Und da es leicht passieren kann, dass man in selbst gebastelten oder fremdbestimmten Blasen landet, heißt es immer wieder, mal in Kellergewölben, mal in Dachstuben nachzuschauen, wieviel Staub sich angesammelt hat auf all dem, was mir selbstverständlich vorkommt, und welche Wirkung es erzeugt im Außenraum. Es gibt auch immer mal wieder Zeiträume, in denen Erfrischungen möglich sind, zum Beispiel durch Nähe zur Kunst, in der erste Strömungen von gesellschaftlichen und menschlichen Veränderungsmöglichkeiten am ehesten erscheinen, denn sie (die KünstlerInnen) sind allein mit sich bei der Zeugung, und auch hier wird sie manchmal verhindert oder zerstört, und niemand erfährt davon, dass ein Kind unterwegs war. Letzten Endes hat jedes Erzeugen ohne Liebe keine guten Karten. So heißt die Frage vielleicht auch: wo will ich die Liebe, die mir zur Verfügung steht, hinlenken? Wo fühlt sie sich wohl, wo kann sie sein, ohne zu schaden oder geschädigt zu werden. Man lernt dazu, das ist hilfreich. Die Sache ist schwer in ihrem ganzen Ausmaß zu erfassen und kann einen ganz schön bescheiden machen. Andrerseits hat man die Freiheit, am eigenen Tor zu stehen und reife und menschlichkeitsfördende Entscheidungen zu fällen. Selbst die Gänsehaut spricht ihre eigene Sprache, und man kann sie trotzdem verstehen.

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