hell und finster

So sind wir nach eineinhalb Jahren Corona-Drama wieder angekommen bei dem Ausbruch der Kirschblüten und der Magnolien-und Apfelblüten. Sind sie besonders leuchtend dieses Jahr, oder kommt es mir nur so vor nach dem Winter ohne indische Sonne auf dem Körper, verlässlich wie ein Briefbote.Und selbst in der Blütenwelt hat sich etwas Unheimliches eingeschlichen – die Insekten, wo sind die Insekten, die wir noch vor den Äpfeln brauchen, seltsam still ist es in der Luft. Aber wie wohltuend, auf das satte Grün der Wiesen zu schauen, und wohltuend auch, dieses simple Glück bewusst wahrzunehmen in seiner Helle, während die andere Seite (in mir) so schwer wiegt. Natürlich bin ich auch bei all den anderen Katastrophen, die außer Covid noch laufen, gedanklich nicht dabei, obwohl es eine gute Frage bleibt, was einen tatsächlich angeht und was nicht. Und nicht für jede/n ist das Ausmaß der indischen Coronawelle spürbar bis in die verfügbaren Zellen hinein. Ach, ein großer Tod ist im Gange, und für mich bleicht er die Wangen des menschlichen Angesichts bis zu seinem knochendürren Ende. Hier kann, und hier muss man auch lernen, was die Menschheit immer wieder in den Irrgarten geführt hat, und ziemlich vieles hat hier ein Ende. Es ist ja schon lange nicht mehr fünf vor zwölf, obwohl diese Zahl ein fester Begriff wurde und so erstarrt und gebannt ist wie die Uhr aus Hiroshima, von der man wusste, wie spät es war, als es passierte. Doch gibt es auch das schleichende Passieren, das dann irgendwann in der Rückschau endet: ach so war das! So, als wussten wir’s nicht. Und um Himmels Willen will man nichts sagen, was auch QuerdenkerInnen querdenken könnten, oder VerschwörungsdarstellerInnen darstellen, nein, will man überhaupt etwas sagen oder fragen, und wenn ja, wen. Und wann kommt einem das Wort ‚apokalyptisch‘ in den Geist, im Sinne von Unheil und Grauen, die nicht mehr zu fassen sind, keinen Ausweg mehr zeigen, nur noch Tod und Vernichtung, wohin das Auge schaut. Kein Gott, der mehr übrig bleibt, aber auch kein Tropfen der Menschenwürde, die im Gesetzbuch verankert ist, also genau da, wo ihr der Untergang droht. Denn sie ist eben auf grausamste Weise antastbar, diese Würde, und wenn es zu spät ist, um es anders zu sehen, als man gewohnt ist, dann weiß man es, oder man weiß es auch dann noch nicht.  Am Ufer des einst heiligen Ganges, dort Ganga genannt, eine Göttin, wurden nur an einem einzigen Ort 40 Leichen angeschwemmt. Man beschuldigte einander, woher sie kämen, und wer es getan hat. Aber alle kannten die vorherrschenden zwei Gründe: einerseits werfen die Armen, die sich das teure Holz für die Leichenverbrennung nicht leisten können, ihre Angehörigen hinein,  aber vor allem soll überall die Angst umgehen, man könne sich anstecken an den Körpern, also am besten hineinwerfen in den Fluss, wer soll das beweisen. Über hundert Angeschwemmte soll es gegeben haben an den geeigneten Ufern, wo sie hängen blieben und erschrocken angestarrt wurden von den Einheimischen. Ich habe auch draufgestarrt auf die Bilder, die zu mir aus Indien kamen. Niemand konnte ahnen, dass es so offensichtlich finster wird, während sich an der Spitze der Regierung wieder ein grotesker Dummkopf zum Gott küren lässt, weil er der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen kann. Es ist schwer, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, und nicht zuletzt, weil es ja nur vorletzte Wahrheiten gibt, damit muss man leben.

 


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