Sog

Man spürt förmlich den Sog, den das Phänomen des ‚Normalen‘ auf einen Großteil der Menschheit ausübt, und das sind nicht nur die verständlichen Nöte von Eltern, die den ganzen Tag mit ihren Kindern umgehen müssen und dadurch oft selbst wieder in die alten, als vergangen gewähnten Rollenmuster zurückmutieren. Oder aber was es sonst noch für allerlei Möglichkeiten gibt im Umgang mit den Dingen auf der Corona Dampferfahrt. Denn ist der Dampfer im Hafen eingelaufen?, und alle können jetzt ausströmen in die ersehnten vier Himmelsrichtungen, um dort weitere Maskierte zu treffen?, oder aber diese (Anderen) im Sonderbungalow schlichtweg zu vermeiden, was man ja auch vorher nicht unbedingt anders erlebt hat. Nun ist es aber erlaubt, ja gesetzlich verankert. Als ich gestern mal wieder unterwegs war, um unausweichliche Handlung durchzuführen (Paket zur Hermes Abgabe bringen, weil Online-Bestellen nun doch nicht für jede/n geeignet ist, dann schnell noch rein und eine Zahnpasta holen), das hatte schon eine Wirkung auf mein Gemüt wie eine Überdosis von etwas Überraschendem, von dem man zwar wusste, aber von dem man als direkte, praktische Erfahrung nun doch etwas überrumpelt wurde. Da ich meistens irgend eins meiner angenehmen (indischen) Tücher bei mir oder an mir trage, habe ich mir angewöhnt, mir bei Eintritt in ein öffentliches Gebäude den schmalen Teil des Tuches über die Nase und um den Kopf zu binden, und dann wieder schnell runter damit. Aber ich musste/durfte/wollte/sollte doch staunen, als mir so viele Maskierte begegneten, das lief geschmiert wie das Haar durch die Butter. Alle Menschen kennen ja (mehr oder weniger) die Kunst, oder die Untat des Maskierens, ob da nun Stoff vor dem Gesicht hängt oder nicht. Ich bemerke, dass ich ständig von einer Maske zur anderen schaute, nachdem ich schon von der neuen Ordnungsmarkierung der 1 1/2 Meter auf dem Boden vor der Kasse leicht beeindruckt bzw. verblüfft war, schon alles so ordentlich gedruckt und auf lange Zeiten eingestellt. In den Jahren meiner Meditationsausbildung gab es in meiner Praxis mit anderen Praktizierenden immer die Möglichkeit, sich ein Schweigeschild an die Kleidung zu heften, damit einen keiner anspricht, wenn man nicht reden will. Die deutschen Studenten machten reichlich Gebrauch davon. Man konnte hinter dem Schildlein ganz einfach verschwinden, zack, weg war man von der Mühe des Kommunizierens und Austauschens und Klärens all der Dinge, für die sich nur mühsam oder gar nicht die Worte finden. Und überhaupt: die Anderen! Eine wohlverdiente Pause von ihnen, das gibt die Corona-Maske auch her. Nun weiß man natürlich nicht, ob Menschen in Läden überhaupt jemand anderen wahrgenommen haben oder hätten im Prämaskierten, ich meine jetzt dem offiziell Maskierten mit dem Stoff vor dem Gesicht, der alle aussehen lässt wie eine Menge Tierlein beieinander. Das fiel mir schon bei der Stewardess im Herflug aus Indien auf, als sie statt ihres eingeübten Lächelns ein lustiges Schweinchenprofil (Maske mit Luftfilter) den sitzenden Wünschern entgegenstreckte. Da war sie noch die Einzige im Flugkörper, keiner ahnte ja, was noch alles kommen würde. Abstand und Maske also bleiben, in welchem facettenreichen Spiel auch immer. Und was auch bleibt, ist das Ungewisse, begleitet von Navigationsgerät und Kompass, absolut unerlässlich! Ich wünsche weiterhin gute Fahrt!

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