sommerlich

Zu dem Hochgefühl eines Märchenbuchsommertages passen die Bilder natürlich nicht, müssen sie ja auch nicht. Oder vielleicht passen sie doch. Es ist das Bild eines Ohres, das ich aus einer Zeitung entfernt hatte, und damit es nicht gleich verloren geht, legte ich es in die kleine Schale, wo ich einige meiner Farben anrühre. Da konnte ich sehen, dass sich Ohren auch als Augen eignen, wenn auch nur an einem sommerlichen Morgen. Mir fiel mein erstes und einziges Gedicht über den Sommer ein, das mit den Zeilen beginnt: „Sommer – langer Gedankenstrich. Verlorenes Recht auf Grün…..“Nun muss man nicht darüber streiten, ob ich oder der Mensch an sich oder alle Menschen das Recht auf Grün überhaupt verlieren können, denn es gibt ja gar kein Recht auf Grün. Niemand hat jemand anderem das Recht auf Grün geben können, es ist ja auch nicht überall grün. Als im indischen Dorf die Rosengärten begannen sich in die Wüste zu dehnen, war ich auch überrascht, dass es „nur“ mit dem Wasser zu tun hatte, da ergrünte sie, die Wüste. Allerdings passierte auch da das wohl Unvermeidliche: zu viele wollten diese riesigen Mengen Wasser  in ihre neuen Felder leiten, das ging ein paar Jahre gut, bis das System zusammenbrach. Ausgetrocknete Brunnen. Verödete Höfe. Kein Sommer, in dem das berauschende Grün seinen Saft in die menschlichen Adern treibt. Wie heute. Auf einmal ist alles nur Fülle. Man kennt nun die Armut der Wahrnehmung. Wann ist das alles geschehen, dieser wilde, kaum zu bändigende Reichtum. Ich wohne in einem paradiesischen Garten, der direkt an den Wald grenzt. Nie hätte ich vermutet, dass ich mich auf dem Land so beschenkt fühlen würde. Nicht einmal das Rauschen einer Autobahn ist zu hören. Davon kann man in Indien nur (noch) träumen. Der einzige Glanz des Himalaya Gebirges als Feld des Rückzugs und der Stille hat sich verflüchtigt und hat neue Räume ermöglicht, die die Arbeit dem Zeitgemäßen anpasst. Hören, sehen, erkunden, betrachten, staunen, lieben, reflektieren, still sein. Je genügsamer die Einstellung, desto weiter der Raum. Klar, es braucht Zeit, bis man alles dafür einsetzen kann, das eigene Wesen im Raum wahrnehmen. Es ist ein Privileg, in einem Garten zu leben, in dem auf einer Seite ein paar Holzbalken die Idee eines Zaunes verkörpern, und alle anderen Seiten sich verlieren im Grün angrenzender Wiesen. Alle sind ausgestattet mit guten Geräten, das lotet die Landluft aus mit anderen Frequenzen. Wir wollen ja nicht zurück, sondern vorwärts, was auch immer das jeweils bedeutet, ein Vorwärts. Orte, die auf einmal im Kontrast zu der selbstzerstörerischen Neigung des Menschen wie Oasen erscheinen, in denen zumindest das Gespräch über die Fragen unserer Zeit auf diesem Planeten entstehen kann, und wo das, was wir wünschen und als Wert verstehen, sich im Spielraum und im immeren Labor erproben kann als Weg in die Umsetzung. Als endlich wieder Sommer war und Licht und Dunkel sich in den Selbstgesprächen suchten und nicht fanden. Sommer, wenn Krieg ist. Und Sommer, wenn Frieden ist.

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