können

Als ich gestern irgendwo diesen Satz von Anna Achmatowa las, war ich berührt von der Tiefe dieser einfachen Antwort. Erst später fiel mir ein, dass ich die dazugehörige Geschichte schon einmal gelesen oder gehört hatte, und habe sie dann auch gefunden. Mit einem Freund sprach ich später am Telefon über die Schönheit und Güte, die manche Menschen ausstrahlen können, wenn sie einem Grauen begegnet sind, das keinerlei Hoffnung mehr zulässt, und dann, eines Tages, nach all dem, was nie vergessen werden kann,  sie vielleicht  wieder einen Vogel singen hören, oder sie lassen sich wieder ein auf das Wagnis,  einem Menschen zu trauen, weil sie nicht anders können. Vor ein paar Tagen war ich bei Shivani zu Besuch, sie vermietet 5 Zimmer an Reisende. Ein  alter, würdig wirkender Mann aus Israel, der mit seinem Sohn unterwegs war, kam zu meiner Überraschung auf mich zu und fragte mich, wo ich herkomme. Ich merkte, wie es (mir) unmöglich war,“Deutschland“ zu sagen, ohne ihm zu vermitteln, wie dankbar ich bin, in diesem Dorf Menschen aus Israel zu treffen, um vielleicht  wieder gemeinsame Erfahrungen machen zu können mit einem menschlichen und achtsamen Umgang. Er erzählte mir, dass er jedes Land in Europas bereist hat, aber niemals mehr einen Fuß nach Deutschland setzen würde. Ich hätte gerne mehr mit ihm geredet, aber es wurde auf eine unheimliche Weise klar, dass trotz einer Wärme, die sich durchzusetzen versuchte, ein Gespräch nicht wirklich möglich war. Über den Holocaust? Kann man darüber reden? Viele haben darüber geredet, viele haben dann doch noch Worte finden können. Immer wieder bemerke ich, dass ich Menschen anrege, Worte zu finden für das, was innen in ihnen vorgeht. Wie kann man sich kennen lernen, wenn man nicht Wege und Pfade sucht und findet, die zumindest in die Nähe des eigenen Aufenthalts führen, sodass man über das eigene Denken und die eigene Sprache etwas von sich und den Anderen erfährt. Auch Liebe, finde ich, hat etwas Nüchternes an sich. Man nimmt sich ernst gegenseitig und will verstehen, wie und wer der oder die Andere ist. Diese Mühe, sich selbst treu zu sein, und auch den anderen Menschen sich treu sein lassen, das ist ja vielleicht die Bedeutung des Wortes Auseinandersetzung, die einem ermöglicht, den Anderen in seinem oder ihrem eigenen Licht zu sehen, und nicht gefärbt von der eigenen Vorstellung. „Ja, ich kann das“, sagte Anna Achmatowa so klar und sicher auf die Frage der Frau, die im starren Schrecken dieser Situation kurz wieder zum Leben erwachte. Da ist jemand, der es ausdrücken kann. Der Worte findet für das Unsagbare. Man vermutet es kaum, dass es genauso schwer ist mit dem Schönen und Guten auf der Erde. Wie Nelson Mandela in seinen berühmten Sätzen sagte, dass wir noch nicht einmal wissen, wie das geht. Und uns so oft beunruhigen lassen von den dunklen Geschehnisse auf diesem Planeten,  und eben auch nicht wissen, wie wir den unermesslichen Reichtum beschreiben können, in dem wir uns täglich bewegen, in der Grundausstattung der Bühne sozusagen: Bäume, Himmel, Wasser und Luft. (Sterne, Meere, Wolken, Tiere, Menschen!) Um wahrnehmen zu können, was uns an bewusster Gestaltung möglich, und was uns nicht möglich ist, aber dennoch zur Reifung unserer Menschlichkeit beitragen kann.

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