grübeln

Heute ist ‚Welttag des Gewohnheitstiers‘, meine Erfindung, weil zwei sogenannte Festtage nach einem dritten rufen, bei dem auf jeden Fall weniger Reden gehalten werden, er kostet den Staat auch nichts, weil keiner davon weiß, verfehlt aber auf gleiche Weise seine durchdringende Wirkung wie die beiden anderen, wo es öffentlich um Gewaltlosigkeit und Einheit ging. Es darf und kann aber frei nach Herzenslust herumgegrübelt werden, denn was man nicht für alle auffindbar in die Welt hineingrübelt, gehört einem ganz und gar. Grübeln kann sein wie ackern, etwas wird locker gemacht, wird durchpflügt, damit Platz entsteht für neues Saatgut. Auch Denken schadet nicht, wenn man es förderlich einsetzt. Allerdings zwingt uns die Zeit zu einer Erkenntnis, die wir ungern haben, nämlich, dass die grenzenlosen Zugänge zum Weltgeschehen für alle und jeden einerseits einen geradezu suchtmäßig gesteuerten Reiz auslösen können, andrerseits aber die Flut des bereits Gedachten, mit dem wir auf neue Weise in Berührung sind, die eigenen Einsichten und Durchblicke immer mehr erschweren. Im günstigsten Falle könnte so eine  andauernde Entwicklung der permanenten Überforderung zu einer Art kollektiver und sokratischer Wahrnehmung führen im Sinne, dass immer mehr von uns wissen, dass sie bzw wir, nichts wissen. Natürlich muss man, ebenso wie für andere Einsichten der Selbsterkenntnis, dazu gewillt und dafür offen sein, vielmehr bewusst darüber sein, da sonst die Schrecken, aber auch die Freuden, nicht mehr genügend wahrgenommen werden können, um eben dadurch zu aktivierten Verwandlungen zu führen. Hier fällt mir erstaunlicherweise eine Reklame aus der Kindheit ein, und in der Tat, es ist nie zu früh und selten zu spät…für alles Mögliche, das man ernsthaft ins Auge fasst. Gestern war mir dann noch eingefallen, dass Hölderlin im „Hyperion“  auch über die Deutschen rumgegrübelt hatte, und dass es ihm vor allem sehr schwer gefallen ist, das Menschliche und das seelisch Schöne in ihnen zu finden, beziehungsweise in uns. Nun ist seit Hölderlin hier allerhand los gewesen, und von einem wahrlichen Höllentrip erwartet man zumindest auf den Geisterbahnen immer mal wieder das erleichternde Auftauchen von Lichtquellen. Auch die Lichtquelle muss immer als solche erkannt werden, wie zum Beispiel die Erfahrung des Genughabens und dankbaren Genießens dessen, was man nun mal hat, mit einer intelligenten Frau an der gemeinsamen Spitze, nun ja, jeder muss mal abtreten, aber noch ist kein Besserer als sie in Sicht, oder man müsste sie mal zu sehen bekommen. Und Frieden! Eine sehr lange Zeit haben und hatten wir voller verhältnismäßigem Frieden und verblüffendem Wohlstand, so dass es, ja, auch wegen der tiefen Gewissensreue über die deutsche Nacht des entgrenzten Menschseins, doch auch für Andere lehrreich war und interessant zu sehen, wie ein  Phoenix aussieht, wenn er sich aus der Asche erhebt und loszieht in neue einsame Flüge, die ihn zu dem befähigen, was er nun mal ist. Auch im Labyrinth gibt es Orte der Ruhe und der Geborgenheit, wenn man nicht immer zwanghaft den Faden verfolgen muss. Ein Garten aber bietet immer die Erfahrung des paradiesischen Zustandes. Apfel und Schlange sind auch noch da. Jetzt wissen wir, wie es war, etwas gewusst zu haben. Wir sind ja die Kinder derer, die in den bitteren Apfel gebissen haben. Alles Weitere ist weiterhin offen.

Das Bild zeigt Diotima, die von Plato gedanklich in das Gastmahl eingeflogen wurde, an ihrer Quelle lagernd.


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