reifen

In Ländern, in denen Bildungmöglichkeiten als selbstverständlich angesehen werden, geht man davon aus, dass Menschen langsam aber sicher in eine gewisse Reife trudeln, und natürlich würde hier die Frage auftauchen, was ist das:“Reife“?, und wie kommt sie zustande. Obwohl man nicht sehen und wissen kann, wie viele Menschen therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, ist es doch ziemlich wahrscheinlich, dass es bei allen, die diese Hilfe nehmen, um ein früheres Erleben geht, das ihr Leben bedrückt und überschattet. Meist ist es ein Schrecken, den es zu bewältigen gilt, eine Katastrophe, die Worte braucht und ein geschultes Ohr. Da Leid als sehr persönlich empfunden wird, ufert die Literatur der Bewältigung und des Erfassens erst einmal in eine große Welle aus, bevor man auch an sich und um sich herum anfängt, die notwendigen Fragen zu stellen. Der Wunsch, an sich selbst Fragen zu stellen und sie auch selbst zu ergründen, gehört sicherlich auch zum Pfad der Reife. Was verblüfft, ist ja nicht die Reife, wenn man sie in Geschöpfen antrifft, sondern das Vorherrschen  eines tief empfundenen Leides, das noch keine Beachtung gefunden hat. Außer dem Leid gibt es noch die pure Ignoranz, die zum Beispiel bei ersehnten Söhnen von Frauen auftaucht, die es gewohnt sind, mit ihrer Geburtgebung durch den Sohn mehr Macht in der Sippe auszuüben. Zu dieser oft subtil ausgeübten Macht der Frauen kommt als Mit-und Gegenspielerin die Unterwefung, und man könnte auch sagen, dass ein autoritäres System oft aus einem Mama oder Papa-System entsteht, in dem alle Anderen Kinder sind, die bewusst oder unbewusst darunter zu leiden beginnen, dass sie nichtsich selbst sind, ohne je zu erfahren, was das sein könnte. Ahnt ein Mensch automatisch, dass er nicht sich selbst ist? Viele, die sich gerne im Schweigen bewegen und denken, sie brauchen das Wort und die Begriffe nicht, merken eines Tages vielleicht, dass sie den Ausdruck gar nicht haben, von dem sie innerlich ausgegangen sind, und dass da dann etwas blockt und nicht weiß, wie es heraus kann, denn es ist irgendwo gefangen. Man kann selbst beobachten, wie viele Kinder als Erwachsene herumlaufen, bzw. Erwachsene, die wie Kinder wirken. Bleiben Menschen gerne Kinder?, oder hält da etwas fest, was noch verstanden werden will, und nicht nur mit dem Verstand, sondern mit dem inneren Blick auf den eigenen Lebensstrom. So sehe ich auch meine gepinselten Bilder eher wie vorüberziehende Masken und Muster, die einen einerseits berühren können mit ihrem direkten Anspruch, dann aber sind auch sie wie die Wolken, die vorüberziehen, damit man sich an der Klarheit des Tages erfreuen kann. Und auch die Klarheit des Tages ist begrenzt, denn immer wieder braucht es neue Einstellungen, da nichts so schnell haftet und ausdauernd an der eigenen Substanz nagt wie Betroffenheiten, oder auch festgefahrene Schienen, die gar nicht mehr befahrbar scheinen, bis sie von einem entdeckt werden. Wenn das Erlebte, also das eigene Leben, nicht reflektiert wird, kann es nicht verstanden werden. Wer soll es verstehen außer mir selbst? Das Paradoxe ist, dass ich es letztendlich allein gar nicht verstehen kann, wer ich bin, denn es braucht ein Gegenüber, das möglichst über viele Wellenlängen verfügt, um der Resonanz des Reflektierten den notwendigen Raum zu ermöglichen. Die Weigerung, zu eigener Kraft Zuflucht zu nehmen, beziehungsweise die eigene Kraft in Anspruch zu nehmen, weist uneingeschränkt auf etwas vom Erwachsenen zu Bewältigendes hin, damit, wenn das gewünscht ist, der Aufenthalt in kindlichem Verhalten und Kleiden aufgegeben werden kann.

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