herausfinden

Dieses Jahr gibt es also zwei Shiva Ratris, also Shiva der Gott, und Ratri die Nacht. Man soll die ganze Nacht aufrecht sitzen und wach sein, was mir im Volk als lebendige Praxis noch nicht aufgefallen ist. Das zweifache Fest habe ich schon einmal erlebt und auch nicht gewusst, wodurch das entschieden wird. Also wer studiert wo den Panchang, die indisch-astrologische Brahmanenfibel, und wer sagt es den Anderen weiter, sodass man den Eindruck bekommt, alle wissen auf einmal etwas, was man selbst noch herausfinden muss. Deswegen versuche ich heute früh mal, Genaueres zu erfahren. Der Erste, den ich meist treffe, ist Mohan, der die Pilger-Piazza am Hauptzugang zum See hütet und mir erklärt, es sei wegen „pradosh“, dem Zusammenspiel von Shiva und Shakti (der weiblichen Energie). Deswegen zwei Tage? Das erklärt ja mal wieder alles. An Anil aus Bombay, der mir über WhatsApp mitteilt, dass Shivaratri ist, schreibe ich eine leicht empört klärende Mail, dass ich, danke, schon seit ein paar Jahrzehnten  Shivaratri (mit)feiere, aber ich sehe ja jetzt, dass es an einigem noch mangelt. What is „pradosh“, for heavens sake, das muss doch geklärt werden können.  Einen vorbeiwandernden, lebensmüde Dreinblickenden frage ich auch. Pradosh….pradosh sinniert er vor sich hin, das hat was mit nach dem 12. Februar zu tun, und geht schnell weiter, damit keine weiteren Fragen kommen. Jetzt bin ich in Fahrt und bereit, weiteres Unwissensmaterial aufzunehmen. Inder, vor allem indische Männer, sind nicht gewohnt, in irgendeiner Hinsicht hinterfragt zu werden. Man tut, was man kann, aber nicht hinterfragt werden, denn wo käme man da hin (Vorschlag: in die Selber-denk-Teufels Küche, huhu!). Ich halte Ausschau nach weiteren Erläuterungsfiguren und gehe wie jeden Tag bei Ashish vorbei, um Rosenblätter abzuholen und natürlich, um zu fragen, was pradosh ist, oder warum 2x Shivaratri. Er ist kein Brahmane und erstaunt zu hören, dass wir 2x Shivaratri haben, obwohl die ganzen Ufer von Pilger-Pujas brummen. Mat socho, denk nicht weiter, sage ich und treffe einen Mönch, der das Wort gar nicht kennt, das wundert mich nicht so sehr, denn in seiner Welt hat es vielleicht keine Bedeutung. Außerdem wimmelt es gerade von Mönchen, die sich alle fühlen wie Shiva, und man sieht es denen an, die hoffen, als Verkörperung des Gottes erkannt zu werden. Das wird hier nicht so ernst genommen, ja, eher gewürdigt. Wie mein Blick sich verändert hat! Zum Glück scheint meine Nüchternheit der Liebe im Blick nicht zu schaden. Man wächst heraus aus den Formen und aus den Konzepten und Prinzipien. Hat sich dann alles, was man glaubensfrei für Wissen hielt, nach und nach gelockert, ist die hauptsächliche Veränderung, dass man selbst schauen kann, wo man hinwächst. Ich habe dann noch bei der sich heilig verhaltenden Jungtruppe aufgeschlossener Priester angehalten und nach pradosh gefragt. Alle blicken sich gegenseitig fragend an. Es scheint gar nicht so bekannt zu sein, wie ich vermutete, und vielleicht bin ich ja am Abend die Einzige, die genügend Vermutungen aufgenommen hat, um geläutert schlafen zu gehen. Aber oje, da kommt mir noch Einer entgegen, der alles weiß, und leider öffnet sich mein Mund zur Frage. Sofort muss ich mich setzen, denn es wird hochkarätig erläutert. Dass, weil gestern pradosh war, eine besondere Zeit, die nur manchmal ist und sich deswegen das Ganze auf zwei Tage verschiebt. Tagsüber wird gefastet (haha), das bringt bestes Karma. Nach dem Vortrag ruhe ich mich noch ein wenig im Schatten des Banianbaumes aus. Um den Stamm herum bellen Hunde nach oben ins Blätterwerk, wo kreischende Affen toben. Etwas fällt in meinen Schoß. Aha! Ein Zeichen! Ich fühle mich verstanden und kontaktiert. Vor mir liegen Shiva, Shakti und noch wer als Samenkapselprinzipien. Ich nehme die Gabe mit und habe sie oben rechts ins Bild gestellt, damit ich die mystische Sinnhaftigkeit nicht ergänzend erläutern muss. Das linke Bild zeigt den kleinen Shiva in seiner Jugend, bevor die Geheimnisse von Sprache und (indischer) Welt sich um ihn drehten.

 


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