fremd

 
Mal wieder durch ‚reinen Zufall‘ habe ich ein Gedicht entdeckt, das morgen hier erscheinen wird und das „fremd“ heißt. Da fiel mir auf, dass mir das Wort so vertraut ist. Nicht im Sinne von isolierend, oder mit Trauer behangen, oder mit Sorge befangen, sondern ich sehe mich tatsächlich gerne als eine Fremde. Etwas in mir war immer bereit, Fremde zu sein auf dieser Reise. Für mich sind auch die Anderen Fremde, vielleicht finde ich es deshalb so schön, mit Fremden in Kontakt zu kommen, das Wunder der Nähe zu genießen, gemeinsam das Erstaunliche des Weltendaseins zu bedenken und sich einzusetzen für das, was man als wesentlich erachtet. Auch in der Liebe ist doch das Fremde das Beglückende, auch das Nachlassen von Fremdheit in einem Raum des Vertrauens. Erfahrung wird dann ermöglicht, wenn jemand klar aussagt über sich und die jeweiligen Befindlichkeiten und Gedanken, und wir erhalten Einblick in die inneren Welten eines/r Anderen, wo so vieles sich erahnen lässt, da man es vielleicht ähnlich sieht oder denkt, dann aber doch zulassen muss und auch kann, dass der/die Andere das einzigartige Wesen bleibt, das nur sich selbst erkennen kann wie ich mich selbst. Und was bedeutet schon „erkennen“? Ist es nicht eher die Fremdheit, die wir erkennen an uns, aus Mangel an überzeugendem Verständnis darüber, was Menschen hier tun und lassen, nur dem eigenen Gefühl und Geist auf der Spur, die uns belehren, dass es die unvorstellbaren Grenzen tatsächlich gibt, und dass uns die hellsten Momente sehr wohl aufklären, dass alles Gedachte und Behauptete unbedingtes Konstrukt bleiben muss, sei es auch noch so fleißig und fließend dargebracht. Es bleibt Fakt, dass ich Reisende bin, Fremdling, unterwegs auf einem Planeten, der für alle Anwesenden etwas anderes bedeutet, für manche ein Garten mit Freunden, für andere ein Schlachtfeld mit Toten. Und ein kollektives Bewusstsein existiert über all dieses Geschehen, das hervorblüht aus den Gehirnen, den toten und den lebenden, unserem, für das wir Verantwortung übernehmen, weil es sonst keiner tut und auch keiner tun kann, da es unsere eigene Zeit ist auf der Erde, mit der wir so wissensvoll umgehen müssen, wie es uns möglich und auch ermöglicht ist. Manchmal berührt uns die Not der Frauen, manchmal die Not der Männer, manchmal die Not der Transvestiten, dann die der Tiere, dann das Sterben der Wälder, dann die unermessliche Not der Kinder. Beim Reisen auf dem Planeten haben wir Zeit, berührt zu werden. Wir haben ja Zeit für das, was wir sind. Wir können sagen, was wir als störend empfinden, und wir können zuhören, wenn sich jemand über unser Benehmen beklagt. Immer ist Freiheit, auch wenn ich nicht weiß, ob ich heldenhaft sterben könnte, wenn mein Leben bedroht wird. Vielleicht gibt es ‚freie‘ Frauen unter den Burkas. Ich habe sie leider noch nicht getroffen. Asib, der afghanische Ehemann meiner Freundin Atiyeh, hat mir bei unserem Besuch erzählt, wie es war für ihn, als er mit vier schon frühmorgens zur Moschee gehen musste in Kabul, und beten, und lernen, dass es ein Verdienst ist, wenn Ungläubige durch seine Hände sterben. Was soll ich dazu sagen? So ein Glück, fremde Freunde, dass ihr die Hölle verlassen konntet, die kein guter Ort ist für Menschen. Nur wir Fremden sind hier auf dem großflächigen Raumschiff, während die Uhr läuft und es nur für liebevolles Beisammensein keine Grenzen gibt. Wie gut kann es tun, wenn man mal eigene Tugendlatten lockert und ja sagt zu etwas, was dem Eigenen nicht gleich entspricht oder auch nein danke! zu dem, was einem nicht bekommt. Das schließt doch die Freude nicht aus. Ich bin in der Fremde zu Hause. Setzt mich ab im Irgendwo, und ich werde einen Weg zu euch finden. Und zu dir, die du mir Nähe schenkst und Teilhabe durch dich am Einzigartigen.

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