Die Euphorie des Ichseins

In der verfügbaren Lebensspanne ist man immer wieder genötigt, eine gewisse Aufmerksamkeit auf das Ich zu lenken. Wo es hinwill, wo es herkommt. Welches Maß hier angestrebt werden soll, wo soll es überschritten werden. Wo tut auch mal das tiefe Dunkel gut, wo kann zu viel Gier nach dem Licht ungesund sein. Aus was besteht überhaupt das Ich, und wie weit gelangt die dort angebrachte Vorstellung dieses Identitäts-Puzzles zur lebendigen Daseinsfähigkeit als ein ent-ichtes Ich im Sinne eines aus der eigenen Haut geschlüpften Papilios, ganz zum Entzücken der  eigenen Selbstwahrnehmung. Vielleicht nur die pure Form einer verkörperten Existenz (mit mir als Spiegelloses), ich weiß es nicht. Oder der Druck in der Kohlekammer ist noch nicht groß genug, um Anteilnahme zu beanspruchen an der Logik des geistigen Triebwerks. Was ich weiß aus Erfahrung und im Dienstkreis einer Sterbenden ist, dass die unvermeidbare Nähe des Abschiedes von dieser uns bekannten Seinswelt viele Möglichkeiten bietet, dem Ich neue Erfahrungen zuzuführen, die vorher nicht möglich waren. Man weiß ja meistens nicht, was sich hinter dem Satz „nach langem Leiden“ alles verbirgt: ob die Liebe stärker oder die Abneigung flacher, oder die Sehnsucht größer, die Trauer über das Ungelebte mächtiger wurde. Oder die Trunkenheit am eigenen Steuer nach einer Bahn sucht aus der Blase, in der alles so weltlich geordnet schien, aber nur schien. Auch bietet der Tod, beziehungsweise das Mysterium des Todes, eine straffe und klärende Ordnung an. Die Auswege sind versperrt, das Ganze besteht auf einmal nur noch aus Zugang zum Erahnbaren: immense Weiten im Spiel mit dem innen Gehüteten. Genau d a s darf nun draußen die Performance anleiten, eben solange sich ein Draußen noch von einem Drinnen absetzt. Man behält die alchemische Hochzeit im Auge und erfrischt sich am Champagnerbrunnen, beziehungsweise am Nektar der großen Befreiung.

 


Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert