Rosen

Heute früh war das Wasser mit Rosen bedeckt. Die Großzügigkeit, mit der hier mit Rosen umgegangen wird, ist bemerkenswert. Wenn ein Toter oder eine Tote durch die Straßen getragen wird zum Verbrennungsplatz, bleibt der Boden im Bazaar voller Rosenblüten zurück. Seit immer mehr Brunnen gebohrt werden, strecken sich die Rosenfelder weit in die Wüste hinein. Das war damals mein direkter Zugang zu der Erkenntnis, dass, wenn Sand und Wasser zusammenkommen, Rosengärten entstehen können. Rosenanbau: sehr frühes Aufstehen aller Familienmitglieder. Riesige Tücher über den Schultern, in die Gepflücktes hineingelegt wird. Langsam tropft das ganze Tuch vom Morgentau. Diese tropfenden Riesenbündel werden auf die Motorräder der Männer gebunden. Einiges davon kommt zum kleinen Marktplatz, wo Surender und sein jüngerer Bruder das Rosengeschäft beherrschen. Selten kaufe ich bei ihm, weil ich morgens beim Rundgang von Ashok, einem jungen Devotionalien-und Rosenverkäufer immer ein paar geschenkt bekomme. Er hat mir mal erklärt, er wüsste nicht, warum, aber seine Hand ginge zu den Rosen. Inzwischen ist es eingespielt und ich bringe aus Deutschland goldene Luftballons und Schokolade für seine Kinder mit. An seinem Stand kaufe ich manchmal auch Rosenwasser oder Rosenmarmelade, die schwer gezuckert, aber sehr lecker ist. Auch der aschetragende Naga-Sadhu hat auf seiner Dhuni (ritueller Feuerplatz der Sadhus) um die Asche herum immer Rosen liegen. Das hat was poetisch Bezwingendes. Eine Ehrfurcht schleicht sich ein ins Herz und löst ein tief liegendes Lächeln aus, haarscharf an der erotischen Kante entlang, wo Leben und Tod ohne eitlen Spiegel die Souveränität des Seins bezeugen.
Viele der Rosen werden in die nächste Stadt gefahren, wo ein Sufi-Heiliger verehrt wird. Dort verliert das Rosenbewusstsein seine Schranken. Kiloweise werden Rosen, mit großen, flachen Korbgeflechten auf dem Kopf befördert, auf den nicht mehr unter uns sich Aufhaltenden, bzw seine grüne Seidendecke geschüttet und von dort von Rosenwegträgern auf weitere Wege gebracht und, who knows, vielleicht auf unterirdischen Gängen zurückgebracht in die Verkaufskörbe, oder zur naheliegenden Transvestitengemeinde, um dort in riesigen Marmorbecken die Sinne in Schwung zu halten. Der Geist, mit Rosen beschäftigt, fängt an zu schwelgen. Was weiß ich schon von Rosen, mag er gedacht haben, aber nicht nur er weiß was von Rosen und dem Blick, der auf ihnen ruht, sondern Rosen werden geliebt. Sie sind u.a. Helfer des zu erringenden Klischeedurchbruchs, den es zu leisten gilt, denn die Rose, ja, wird mit Gefühlen verbunden, weil sie so schön ist. War es Rilke, der an einer Rosendornvergiftung starb? Wenn man eine Person kennt, die  schöne Wesenszüge hat, wählt die Hand der Blumen-Betrachterin dann doch oft die Rose. Wenn ich hier mit meinen Rosen nach Hause komme, lege ich sie in eine Wasserschale und erfreue mich daran. Berauschendes Ewig der Blüten!

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Für die zwei Photos bin ich extra nachmittags mit einer Rose hinaus. Man tut, was man kann.


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