Kostüme

(Das sind zwei Photos von heute früh, die dem Glanz der Kostümwelt nicht ganz gerecht werden, wohl aber die Bandbreite zeigen.)

Die prächtige Kostümwelt, an der meine Augen sich täglich weiden können, ist meist strengen Gesetzen unterworfen. Aus jeder Ecke, aus der die Pilger kommen, kommt auch eine andere Kunst, den Körper zu umhüllen. In den frühen Tagen in Goa ging unter den Westlern ein paar Jahre lang die wenig attraktive Mode um, gar keine Kleidung zu tragen. Da konnte man sehr gut beobachten, dass Kleidung wesentlich zur Erotik des Daseins beiträgt, wobei nur Asche zu tragen wieder etwas anderes ist. Auch wenn die Kostümform vorgeschrieben ist, wie zB bei Sari tragenden Frauen, kann man trotzdem über die Vielfalt der gefalteten Exemplare staunen, wenn man bzw ich in die gigantischen Metallbehälter, die auch als Betten dienen, hineinschauen darf. Auch die spirituellen Sadhu-Bruderschaften sind streng kostümiert. Manche nur Tücher, andere tragen genähte Gewänder mit Taschen, und immer Schals, die auf den Schultern ruhen und vielerlei Verwendung finden. Ahhh!, die Schals und die Tücher! Als ich mich von materiellen Gelüsten schon ziemlich losgelöst wähnte, traf ich mich mal in Jaipur mit einer Freundin, die in Delhi ein Kleider-Business hat. Wir fuhren luxuriöse Ewigkeiten mit einem Scooter zu einer Firma, die vor allem reine Baumwollkreationen webt. Dort explodierten meine Sinne, und beinahe hätte ich mir ein paar Tausender geliehen, ging dann aber doch nur mit 2 (so schönen) Schals raus. Zur Kleidung der indischen Frau gehören auch die Ornamente. Das Hochzeits-Teil (Mangal Sutra) muss am Hals getragen werden. An den Handgelenken müssen Reifen klappern, an den Fußgelenken müssen auch Reifen sein, an den Zehen Ringe. Eigentlich ist die Frau ja die Bank, an der man den Reichtum des Mannes einschätzen lernt.  Arm kann auch relativ sein. Wirklich arm nicht. Mir wurde vor Jahren noch vermittelt, dass die „Meister“, zB. Musiker, Sänger, Poeten etc, ihren Reichtum nie nach außen zeigen. Einfaches Tuch um die Hüften, schönes langes Hemd drauf – baas! (genug). Je freier man mit der eigenen Kleidung umgehen kann, desto komplexer kann es werden. Was wählt man, und wieso und warum? Indien ist ja die Quelle des wehenden Faltenwurfs, dem wir alle früher oder später, mehr oder weniger, verfallen. Ich kam hier in großzügigem Schwarz an mit meinem Totenkopfstab in der Hand, am Hals die ziemlich wertvolle Totenkopfkette aus gutem Silber, hergestellt vom königlichen Juwelier in Kathmandu. Meine Unterarme umschlangen große Silberbänder aus Tunesien, an meinen Ohren hingen Mondschaukeln aus Marokko. Diesem vortrefflichen Kostüm verdanke ich meinen Namen. Und dass ich mit der ganzen Ausstattung dann noch für die Einheimischen einen Kali-Tanz erfand und tanzte, machte meine Anwesenheit konkret. Irgendwann hatte ich keinen Bock mehr auf Schwarz und wechselte zu hellen Farben aus dem Eischalencreme-Reich. Die stärkeren Farbschattierungen trage ich im Westen, da korrespondieren sie mit grauen Himmeln. Modi, der grad übermächtig rumgeistert im Land, machte ja vor zwei Jahren (schon mal) einen wirklich fatalen Fehler. Er ließ sich, bereits erkrankt am Weltherrschaftstrieb, einen Anzug aus schwarzem Tuch anfertigen, in das Linien eingewebt waren aus Goldfaden mit seinem sich ständig wiederholenden Namenszug „Narendra Modi“. Das kam nicht gut an. Jetzt sieht man allerdings bei denen, die es sich leisten können, immer mehr schillernde Outfits. Man will zeigen, wer man ist und was man hat. Kleider machen Leute, und Leute machen Kleider. Die meisten Menschen sind morgens mit ihren Kleidersorgen allein. Wer sich keine zu großen Sorgen mehr darüber machen muss, hat gewonnen: man weiß, was man anzieht.


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