Christina Thürmer-Rohr

Die Welt mit anderen teilen – an.schläge – Das feministische Magazin

Ordnung ist tröstend, sagt die Ideologie: eine Ordnung, die das Eigene normalisiert und das Fremde als diffusen Rest fremd hält, eine Ordnung, die Wert und Unwert zweifelsfrei zuteilen und das  Fremde im Außen lokalisieren will. Aber wo ist außen? Alle Praktiken, Fremdheit herzustellen und die Distanznahmen zu legitimieren, alle Versuche, Fremdheit zu stigmatisieren, alle Abwehr äußerer Fremdheiten und alle Irritationen über innere Fremdheiten: sie alle spiegeln eine Scheinordnung, die ein Trost für eine Norm ist, die es nicht mehr gibt, und ein Gift für alle, die von diesem Trost nichts haben.

In einer globalen und multipler werdenden Welt erweitern sich die Erfahrungen mit dem Eigenen wie mit dem Fremden, dem Fremdsein im Eigenen, dem Eigenen im Fremden und den Fremden in der Fremde. Das Fremde ist überall und überall sichtbar. Unsere Verstehensversuche können zwar nicht Einverständnis und Übereinstimmung garantieren, aber sie werden zu einer nicht endenden Tätigkeit, zum Ausdruck jener Unruhe, die einen Zugang zur Welt, vielleicht eine Anfreundung mit der Welt sucht. Die Grenzen des Verstehens sind damit mehr als nur vorübergehende Verunsicherungen.  Sie deuten auf eine grundsätzliche Fremdheit hin, eine existentielle Erfahrung, eine menschliche Grundverfassung. Das Fremde wird zum Anwalt der Realität. Würden wir beherzigen, dass wir Fremde unter Fremden sind, verlöre die Fremdheit ihre stigmatisierende und ihre einschränkende Bedeutung. Wenn alle sich als Fremde erkennen, kann Fremdheit zu einer Form von Freiheit werden.


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