Montag

Das ist nun mein zweiter Winter in Deutschland, leider nicht selbst gewählt, obwohl die Abschiedswehen, in denen ich mich schon aufgehalten hatte, also Abschied von Indien,  nun einfach in eine unfreiwillige Verlängerung geraten ist, und sollte noch ein dritter Winter dazukommen, dann würde ich diese Ablösuing als beendet bezeichnen und auch empfinden. Als Fremdling kann man einer Kultur sehr nahe kommen, aber immer gibt es einen Moment, wo man sich entweder für das Eine oder das Andere entscheidet, ich meine bis zur Staatsangehörigkeit hin. Einmal wurde mir die indische angeboten, aber ich konnte mich von meinem deutschen Pass nicht trennen. Vermutlich auch nicht von der offenen Tür, die im Hintergrund immer vorhanden war. Und obwohl ich zeitenweise weniger besaß als alle, die ich kannte, war immer noch diese Tür da, durch die ich dann letztendlich auch wieder zurückkam in den Westen. Auf der Botschaft in Delhi zeigten sie mir eine Liste, auf der vermerkt war, dass ich mich ohne gültige Papiere in Indien aufhielt, aber sie gaben mir einen gültigen 24 Stunden Zettel, der mich legal machte und mich trennte von der blühenden Anarchie Indiens. Mein Glück ist, dass ich von beiden Seiten durchatmet bin. Und obwohl es sich im Geist anfühlen kann wie eine Vollendung, wenn man den Osten mit dem Westen zusammenfügen könnte, so kann es doch nur im Geist geschehen, und weit sind sie voneinander entfernt, und nur der Geist kann das Verbindende leisten und genießen und lieben. Gut, insofern habe ich mein Indien hier, obwohl meine Augen auf undurchdringliches Grau schauen, mit dem man umgehen muss. Es wird einem klar, dass das Wetter doch einen viel größeren Einfluss auf den lebendigen Verlauf hat, als man wahrhaben will. Und während in Indien alles nach oben gespielt wird, zieht es einen hier im Angesicht der Wolkendichte nach innen und nach unten, wo das Grübeln sich gerne breitmacht. Dann holt man die Lichter hervor, Kerzen und flackerndes Feuer, damit man dem Sog der Düsternis widerstehen kann. Es ist auch keineswegs mit heiteren Gedanken verbunden, wenn man weiß, dass man trotz glitschiger Matschwege da draußen öfters herumlaufen sollte, damit der Körper das Seine bekommt und nicht beginnt, einem zu schaden. Und man wird eben nicht von der Sonne beschienen, und manchmal vergisst man fast, wie es ist, sich in ihrer Wärme aufzuhalten. Aber ja, es gibt das Innen, es gibt die Freundschaften, die am Herzen liegen, es gibt die Möglichkeit, über alles gehaltvoll zu reden, wenn einem danach ist. Durch Sprache kann man sich leichter machen, und was eignet sich die deutsche Sprache doch prächtig zum Erringen des Klanges, beziehungsweise zum Ereignis der Nähe von Vermutetem, Geahntem, und Bewusstem. So höre ich wohl das Klagelied, das sich ergießen möchte über die braunen Blattflächen, und dann spüre ich auch eine Kraft, die zum Durchhalten bereit ist, denn auch auf dieser grauen Leinwand wird bald wieder Farbe auftauchen.

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