Das (Nicht) Weiterso

Meistens geht  das, was so gemeinhin „das Leben“ genannt wird, einfach so weiter, wie es eben jeweils erfahren wird. Das „Weiterso“ kann auch ein Zeichen sein, das etwas gut läuft, ein Lehrer kann es wohlwollend zu einem/r Lernenden. sagen. Ansonsten gibt es viele Zwischentöne, wie etwas sein kann, ohne dass es besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Gewohnheit spielt mit, man denkt: so ist es, aber wie ist es eigentlich, das geht gerne verloren in den Geschäftigkeiten, die für wesentlich gehalten werden. Bis der Satz auftaucht: so geht es nicht weiter. Da kommt dann eine Lücke in die Gewohnheitsstruktur, und wir haben von Leonard Cohen gelernt, dass der Riss die Öffnung ist, in die das Licht eindringt („There is a crack in everything, that’s where the light gets in). Das Licht, meist in Form des Bewusstseins, lässt dann die Dinge erkennen, die vorher im Dunkel lagen. Oder man hat sie irgendwo in die vielen inneren Archive gesteckt, weil man keine Zeit hatte, gründlich über das nachzudenken, was eigentlich dringend wichtig wäre, nur eben keinen Raum findet. Nun sieht es ganz danach aus, als gibt es zur Zeit auf diesem Planeten ein sich immer mehr durchsetzendes Bewusstsein darüber, dass es so, wie die menschliche Lebensweise sich hier gestaltet hat durch uns, nicht weiter geht. Wie ist das, wenn etwas, das einfach da war, auf einmal nicht mehr so weiter geht. Das kann eine Begrenzung von außen sein, so, wie ich gerade damit umgehen muss, dass das Indien, das ich kannte, nicht mehr da ist. Und es wird auch, wenn ich dort noch einmal auftauche, nicht mehr so sein, wie ich es gewohnt war, eben dort sehr einheimisch zu sein und ein integrierter Teil der Gesellschaftsstruktur. Schon bin ich jemand, die das zweite Jahr nicht mehr mitgelebt hat, was dort als Leben stattfindet, in dem ich meinen eigenen Platz eingenommen habe. Und selbst wenn ich noch einmal auftauche und weiterhin als jemand gesehen werde, die dazu gehört, kann ich nicht mehr dazu gehören, weil ich wieder eine Fremde geworden bin. Man muss anwesend sein, um vertraut zu bleiben, man muss mitgestalten, mitdenken und darauf achten, dass man inmitten der Gestaltungssucht der Anderen nicht untergeht, oder beeindruckt wird, oder verloren geht. Aber selbst für das Verlorengehen muss man einmal dagewesen sein, so, wie man für die Eindämmung der Ichverhaftung eine Distanz braucht zur eigenen Meinung. Auch um Raum zu geben für die Wahrnehmung eines Anderen. Aber warum glaubt man denn (z.B.) nicht so recht an den Klimawandel?, wo es doch so, wie es ist, nicht weitergeht? Vermutlich, weil man die Erfahrung gemacht hat, dass wir Menschen unsere eigene Verursachung nicht wirklich einschätzen können. Und bei dem Versuch einer Einschätzung stößt man ziemlich schnell und unwiderruflich auf die Urthemen, die die Welt gestalten. Wer bin ich, und wie will ich leben, und was ist mir dieses Leben wert, und in welche Richtung will ich es formen, und wie geht das, das Leben in eine Richtung zu formen, wo nicht nur „ich“ anwesend bin mit meiner begrenzten Sichtweise, sondern auch die Menschen, mit denen ich lebe, mir Raum lassen für mein Dasein, ich aber auch Raum lasse für ihres. Das ist Lebenskunst und eine außerordentliche Herausforderung. Habe ich einmal selbst gewählt, dann kann Trennung eine Variante sein, aber sie ist auch immer ein Scheitern. Von der Erde werden wir durch Sterben getrennt, von Menschen, die wir lieben, durch Scheitern. Da steht sehr viel auf dem Spiel. Man hört, wenn man hineinlauscht, das Ächzen der Räder. Bewegung kommt in die Sache. Wo es hingeht, weiß keine/r. Wer es weiß, hat den Einsatz gesetzt. Rien ne va plus.

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