Ich-Podium

Trotz der Bedrängnis, meinte der Moderator (in seinen eigenen Worten), in die man beim Betrachten des deutschen Spiels kommen könnte, so waren doch alle froh, beim „Rudelkucken“, wie er es nannte, dabei sein zu dürfen. Jetzt, nach all dem, was man so durchgemacht hat ohne einander. Das Wort „Rudelkucken“ ist ein Wort, durch das man lernen kann, was ein schreckliches Wort ist. Jetzt habe ich es selbst schon zwei Mal geschrieben, obwohl ein Mal völlig reicht, um es schnell wieder verschwinden zu lassen, entlang dem finsteren Korridor der Worte, die man im Sprachgebrauch eher vermeiden möchte. Jede/r hat seinen eigenen Kanal, dessen Inhalt nur der persönlichen Verantwortung unterliegt. Es ist praktisch ausgeschlossen, wahre Kenntnis von einem Anderen zu erlangen, außer den Mitteilungen, die der oder die Andere über sich selbst aus seinem oder ihrem Kanal macht. Hier wird es komplex, weil der Wunsch der Zugehörigkeit mit dem inneren Anspruch des Selbstseins notgedrungener Weise kollidieren muss. Man muss Wege finden, mit dem Zusammenspiel und den Auseinandersetzungen so umzugehen, dass man selbst genug Lebensraum behält, um der Frage „Wer bin ich (eigentlich)? weiterhin  wach und aufmerksam begegnen zu können, denn auch die eigenen Antworten sind keine stabilen oder eingefrorenen Elemente, die nicht ab und zu mal enstaubt und neu arrangiert werden müssen. Trotzdem kann es ganz tief im Innern einen stabilen Baustein geben, der vielleicht ganz persönlich mit drei Worten zu nennen wäre, bevor Worte ihre Deutungshoheit verlieren. Nur, um sie nach diesem kaltblütigen Vorgang in aller Wärme wieder zu finden. Die Worte eben, die so viel können, und dann ihre inhärente Begrenzung, wo sie wirklich nur im Weg herumstehen. Vor ein paar Tagen bekam ich einen Brief mit meiner auf Maschine geschriebenen Adresse, ohne Absender und Hinweis auf mögliche Senderpersonen, auch innen kein Wort zum Bild (siehe oben), das da lag, offensichtlich aus einer Heimdruckermaschine. Das Bild gefiel mir sofort. Ich liebe Treppen, die in ein schwer definierbares Irgendwo führen und konnte diese ekstatischen Momente häufig in Indien erleben, wo sehr viele Treppen in das Unvorstellbare führen.  Hier aber ein Ich-Denkmal, scheinbar in Gold gemeißelt, also anspruchsvolle Ich-Variante, daneben ein paradiesisches Bäumchen, das vielleicht warnen soll, dass hey, ihr könnt da hochsteigen, aber überschätzt die Höhe nicht undsoweiter. Wir haben dann durch Netz-Nachforschung herausgefunden, ja, das ganze Bild haben wir gefunden und den Namen des Denkmal-Kreators, den ich nachtragen werde, wenn ich ihn wieder finde. Es gibt dieses Werk auch in anderen Plätzen und ist s o konzipiert, dass jeder da hoch kann und, wer möchte, kann dort oben das eigene Ich sein, was immer das heißt. Oder natürlich könnte man von sich selbst auf dem Ich-Podium ein Selfie machen und es denen senden, die einem aus irgend einem Grund in dem Moment einfallen. Auch könnte man jeden einzelnen Menschen aus dem Rudelkucken herauslocken und wäre wahrscheinlich verblüfft, wie unterschiedlich jede/r aus dem Ich-Podium wirken würde. Vorher müsste man etwas Anregendes zum Ausdruck bringen wie „Seien Sie einfach ganz entspannt sich selbst, wenn Sie da oben angekommen sind, und dann als sich selbst in die Kamera schauen“, aber zum Glück funktioniert das ja so gar nicht. Ich finde trotzdem, dass der Absender des Briefes sich selbst hätte auf das Podium stellen sollen, damit ich weiß, wer es ist, aber muss ich das überhaupt wissen. Wahrscheinlich hat jemand irgendwo gedacht, das könnte ihr gefallen, ich schick’s einfach mal. Das anregende Ich-Podium.

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