Kanäle

Neuerdings nenne ich das Virus zur Abwechslung mal eine Spalt-Tablette, einmal wegen der Spaltfähigkeit, und andrerseits wegen der drogenähnlichen Wirkung des unsichtbaren Alarmerregers, der manche in die Schläfrigkeit des Gehorsams transportiert, und andere in die aufgeputschte Erregung, die wir zuweilen an uns selbst beobachten können. Empört euch, ja, sehe ich auch so. Aber wie lange kann man so eine Empörung frischhalten, bevor sie ausleiert und von den Meinungsfeldern absorbiert wird. Eher doch diese Felder freiwillig verlassen und schauen, wie man selbst und die anderen sich so fühlen mit den Hervorkommnissen dieses surrealen Dramas. Man kann sich auch nicht wirklich schlecht fühlen, dass man nicht so viel leiden muss wie viele andere, Mütter mit Kindern z.B., und das Ausmaß der Verzweiflung in den Bazaarstraßen der Welt kann man sich gar nicht vorstellen, so vielseitig ist es, und niemand kann diese Krater mit Gold stopfen, das gibt selbst das Kalb nicht her. Und die halbleeren Säle mit den zugebundenen Sitzflächen, die das einstige Einkommen halbieren und oft für ein Weitergehen nicht reichen. Da kann einen schon mal der Zorn packen, beim Hades, wenn noch mehr Kohle in die Autoindustrie usw. gescheffelt wird, und derweilen der auf Anregung gepolte Geist der Gesellschaft das Interesse verliert, sich in kulturell schwer zu beatmenden Kreativräumen aufzuhalten. Aber wer sagt denn, es gäbe keine Lichtblicke. Jede/r kann Lichtblicke erzeugen, auch ein Hoffnungsstrahl kann zum Lichtblick werden. Nur, wie entsteht ein Lichtblick? Ich hatte eine Schockerfahrung mit meinem Smartphone, die mich in die Nähe dieser Frage gebracht hat. Gewohnt, auf meinem YouTube Kanal die Weltnachrichten auf unterschiedlichen Kanälen nacheinander abrufen zu können, gemischt mit guter amerikanischer Comedy und Trump-Erklärern, fand ich auf einmal ein völlig anderes Programm vor, es muss ein Knopfdruck gewesen sein, der eine total andere algorithmische Szenerie aufbaute, wo ich mal vermutlich irgendwen nachgeschaut habe, vielleicht einen Zen-Buddhisten zum Beispiel, und nun erschienen plötzlich nur noch Mantras und von westlichen SchülerInnen fleißig und kompetent vorgetragene Sanskrit Texte, und Rezitationen, die einen hundertprozentig zu sich selbst führen sollen. Ich schaute nur flüchtig in all dieses Angebot und fürchtete mich davor, irgendwo neugierig hängen zu bleiben und damit den Algorithmen-Alligator zu füttern mit all dem Blut, das man hineinschütten kann in die Dinge, das kostbar geistige Blut, das all dieses Denken transportiert. Ich vermisste ein wenig die Wachheit politischer ModeratorInnen, die den illusorischen Weltgehalt zu transportieren bestrebt sind. Illusorisch deshalb, weil er undurchdringlich ist (wie die religiösen Lehren) in seiner stetig beweglichen Dichte, sodass die Klarheit, die man sucht, nur aus einem selbst kommen kann, was wiederum hinweist auf individuelles Gedankengut und eigene Sprache. Es geht ja nicht darum, es sich einfach zu machen, sondern vielleicht geht es darum, das Einfache als mögliches Maß zu kontemplieren. Das Einfache, das für alle Anwesenden gleichermaßen gilt, nämlich nur sich selbst sein zu können auf der Reise. Da lasse ich doch gerne die Kanäle mal ruhn.

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