seinzen

Gleich zweimal hintereinander erhalte ich  identische Botschaften mit identischen Emojis zugeschickt, von denen befreundete Menschen zuweilen denken, man müsste sie auch erhalten. Diesmal ist sie von Anden-Schamanen, die schon immer vieles  angeblich besser wussten und uns nun per Mail sagen, was alles auf uns zukommt. Das sind jetzt keine Verschwörungstheorien, obwohl die digitale Verbreitung ähnlich gestrickt ist, denn man denkt, die Anderen müssten auch davon Kunde bekommen, was man selbst zu wissen meint. Das Unerträgliche an der Esoterik ist, dass sie oft von einem hochemotionalen Besserwisserdrang gesteuert  wird und von schlechthin unüberprüfbaren Kriterien getragen. Irgendwelche Anden-Schmamanen, ja wer denn genau, und ach echt, hochgradige Energien werden gerade aus göttlicher Quelle erhalten. Natürlich geht die Frage an mich, denn was finde ich denn hier so unerträglich, muss es ja auch nicht wirklich ertragen und kann einfach weiterblättern oder darum bitten, mich von potentiellen Listen streichen zu lassen, auf denen ich vermerkt bin (wie konnte das geschehen) als jemand, dem oder der man d a s zuschickt, was man selbst für spirituelle Weisheit hält oder so, oder wie ist es denn. Na ja, es ist halt, wie es ist, des Geistes letztendlich befreiende Haltung, und man selbst ist eben auch stets und ohne Ausnahme das, was man ist, was zu den bekannten tieferen Fragen führt, ohne dass Antwort in Sicht ist. Das Virus als Zeitbegleiter im Drama des Ungewissen. In der Innenstadt von Stuttgart, wo man glaubte, eine der biederen Weltzentralen zu wittern, bricht der freigelegte Zerstörungswahn aus, oder ist gerade sie, die Vernichtungswut, das Biedere, das sich selbst nicht mehr ertragen kann. Oder ist es die Wirkung des Zusammenseins in häuslichen  Verhältnissen, wo keinerlei Bedingungen erschaffen werden konnten, unter denen es sich zusammen leben lässt. Der Lockdown als eine Art Folterkammer, in der bedrohtes Leben einen Fluchtweg sucht? An anderer Stelle wird noch gerungen. Ein neues Buch von Agamben wird in der Zeit besprochen. Warum wir nicht mehr wissen, was das Leben ist, wird gefragt. Auch sagte Agamben wohl neulich mal, er halte die Pandemie für eine staatliche Erfindung, um den Ausnahmezustand ausrufen zu können, weil sich politische Macht nur noch als Notstand legimitiere. Ja, und das Virus als Entblößer der Moderne wird auch erwähnt. ‚Rette das Feuer des Seins‘, heißt der Artikel. Mühelos streift man von Anden-Schamanen zu Agamben, und was nicht noch alles dazwischen passiert an eigener Reflektion über das Ganze, denn ein Ganzes ist es doch nach wie vor, egal, was ich darüber denke (vom Ganzen her gesehen). Und dass ‚Sein‘ und ‚Worte‘ eine ungünstige Symbiose eingehen können, ist auch zu beobachten. Man kann sehr viel über etwas wissen, ohne zu wissen, was es ist. Einerseits das Sein, andrerseits die Worte, und in welchem Verhätnis sie stehen. Unheimlich finde ich auch, dass bei den ganzen Tönnies Machenschaften noch nie über die Tiere gesprochen wurde. Wem will man keinen Schaden mehr zufügen, und wer schadet überhaupt wem, und durch was. So nimmt man an einem Montagmorgen nach der Sommersonnenwende zum Beispiel einen Besen mit Teleskopstiel und kehrt der Welt den Rücken. Das braucht sie manchmal, die eigene Welt natürlich, damit man wieder klar blicken kann.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert