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Das linke Bild ist, wie man sieht, von der Zeit gezeichnet. Irgendwo und irgendwann habe ich es mal ausgeschnitten und es landete in einem hübschen Messingrahmen und steht seither an einer Stelle meines Schreibtischs. Soweit ich mich erinnere, gehörte die Geschichte dazu, dass das linke Geschöpf zuerst allein im Brutkasten lag, und als die Nachtschwester bemerkte, dass es im Sterben lag, legte sie den Zwilling dazu, und beide überlebten. Dann habe ich in der Zeit einen Artikel von Sudhir Kakar (einem indischen Psychanalytiker) gelesen mit der Überschrift: ‚Was ist menschlich?‘ (zu dem das Bild oben rechts gehört), der hinweist auf die Fähigkeit des Menschen, ein fürsorgliches Individuum zu sein, beziehungsweise zu werden, sozusagen als Ziel und Glanz des Menschseins. Also wie geht’s Ihnen denn so da draußen, oder soll ich lieber drin sagen. Mit so vielen Trauernden vielerorts, die nie wissen werden, wie ihre Angehörigen das Zeitliche verlassen haben, ist ja die überschäumende persönliche Wohlbefindlichkeit geziemlich in Schach gehalten. Nichtsdestrotrotz kann es einem wirklich sehr gut gehen, und wenn ich so in die Runden schaue, kennen wir gerade niemanden, dem es wirklich schlecht geht, abgesehen von all den medialen Berichten, denen man pausenlos das Ohr leihen könnte, hätte man nichts anderes zu tun. Und man hat ja in der Tat nichts anderes zu tun als das, was vor einem erscheint als das offensichtliche, nicht zu vermeidende Tun, das sich selbst tut, wenn man es lässt. Dann erst kann das Nicht-Tun hervortreten, das sanfte Nachlassen der Meinungskompetenzen, eine Art Wachsamkeit den vorgestellten Glaubwürdigkeiten gegenüber, die Erfrischung des Hörvermögens einerseits durch tiefes Hineinlauschen in die Sphäre, dann wiederum das entzückte Hineinlauschen in die geradezu schlicht funktionierende Transzendenz wunderbarer Klangwerke durch die Meisterschft ihrer Musikinterpreten/Innen. Immer wieder jemand, den man nicht kannte, wie konnte das passieren, und wie dankbar man ist für die Gaben. Man hat Zeit und Raum zur Verfügung. Ja, das stimmt, wenn man sich nicht um die Kinder kümmern muss (…). Nicht umsonst wurden die beiden Wege (in Indien als Yoga- und Familienpfad) einst getrennt, nicht in der Möglichkeit eines Zu-sich-Kommens, nein, sondern nur in den zwei Hauptformen der Beschaffenheit der Wesen. soweit es beobachtbar war. Warum sollte z.B. eine Frau, die sich Kindhaben gar nicht vorstellen kann, eins haben. Es kursiert die Meinung, dass es ihr gut tun würde, nein, würde es nicht gut tun, jedenfalls nicht einer Frau, die anderes vorhat mit ihrer Zeit. Es geht ja grundsätzlich um die Frage, was ich mit meiner Zeitspanne auf der Erde anfangen möchte und vor allem kann, auch wenn die zahllosen Katastrophen auf der eingeschlagenen Route nur Dschungel sind, oder das Labyrinth, oder der Ozean, der durchquert werden muss für die notwendige Ansammlung von Erfahrungen, die weitere Weichenstellung ermöglicht. Auch wenn der Planet gerade durch seine BewohnerInnen eine kunstvolle Kollektivpsychose durchwandert, oder wie auch immer man den bemerkenswerten Vorgang nennen möchte, so geht er doch weiterhin auf der Bahn, und niemand weiß, ob diese Bahn selbst der Zeitbegrenzung ausgesetzt ist, oder wir immer die Passagiere sind, solange er da ist, oder wie gut es Venedig und anderen Orten ginge, wenn mal keiner mehr darin herumtrampelt. Aber noch ist es ja nicht so weit, nein, ganz im Gegenteil. Noch ist Staatsexamen, die Kernfragen sind freigegeben worden. Zum Beispiel wie groß ist das social distancing zwischen Dürfen, Können, Wollen, Denken, Kümmern, Lieben, Wahrnehmen, Denunzieren, Helfen, Hamstern, Glauben, Wissen, Tun. Und zwischen unseren Körpern das Maß des Einkaufswagens, oder wagt hier und da Einer oder Eine das Heraustreten aus dem eigenen Gebiet und lässt sich ein auf die Umarmung?
Im Workshop auf dem Dampfer holen wir die großen Scheren aus der Bastelkammer, trennen das Wort Leergut und lassen leer und gut distanziert in uns auftauchen auf dem Schirm, holen tief Luft (Corona-Check) und lassen die Worte ohne weiteres zu.

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