erhellen

Ich hatte dann gestern Gelegenheit, den Satz (essere es percipi) noch durch eigenes Erleben zu erhellen, wobei die Erhellung sich Zeit lässt. Ayesha war da aus Merta City und auf den Straßen konnte man sich wegen des Republic Day Gedränges schlecht aufhalten. Tatsächlich wanderten auch Tausende von uniformierten Kindern hin und her und skandierten Sätze, die man ihnen eingebläut hatte anlässlich des politischen Feiertages. Auch verdrießliche Männer mit Fahnen waren auf unserem Weg zu sehen, auf dem Weg zu einer der Großfamilien, die mir durch lange Jahre vertraut sind, sodass ich mit meinem Kaffee in der Küche herumstehen kann  und mich mit den inzwischen erwachsenen Kindern unterhalten, die vom College zu Besuch sind. Auch die Mutter und der Vater sind da, und die Großmutter, die schon seit Stunden Karotten reibt, weil sie für den Sohn des Hauses, der morgen abreist, was Besonderes bieten möchte. Sie stöhnt vor lauter Anstrengung, denn es sind mindestens 4 Kilo Karotten, die sie da reibt, aber sie lässt keine Hilfe zu, weil es im indischen Haushalt höchste Priorität hat für Frauen, so lange wie möglich nützlich zu sein, denn sonst wird man endgültig als Person nicht mehr wahrgenommen, sondern gehandhabt von allen, die denken, dass sie ganz lieb sind und jemanden dafür benutzen können. Ich kann nicht feststellen, dass hier irgend jemand ein Interesse am Anderen zeigt, was ja auch nicht permanent stattfinden muss. Was sich enorm entwickelt hat, sind die Couch-Garnituren, und dieser gigantische Lustgewinn kommt wie so vieles andere auch erst aus Hollywood, dann aus Bollywood, dann nach Hause zu denen, die sich das leisten können. Schwere, embroiderte Schutzdecken liegen über den ganzen Riesengestellen, alles auf die große Flatscreen ausgerichtet, wo das Jeweilige läuft. Alles spult ab wie ein gedrehter Streifen. Man weiß nicht so genau, wie wahr man etwas nehmen kann. Was gibt einem das Gefühl, in einem authentischen Seinsfeld zu sein? Muss es nur mir entsprechen und meinem Gefühl von „authentisch“, oder gehören alle dazu, die da sind. Sakshi findet auch, dass die Inder wie Schauspieler ihre Existenz spielen. Das Konzept des „Dramas“ ist sehr ausgeprägt, allerdings auch das geistige Gut, das nicht müde wurde, ihnen zu vermitteln, dass hier ein Erwachen vonnöten ist, will man zu sich kommen, und weiß man überhaupt, dass es sowas gibt als eine Wahl inmitten des Spiels. Man kann total aussteigen und wie drin erscheinen. In dieser subtilen Distanz wird das Auge schärfer und klarer, und eine Freude kann sich entfalten über die Wunder des Unvermeidlichen, die unentwegt erscheinen.

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