Eigentlich hatte ich eher „zufällig“ diese Pinselei des Morgens gewählt und bin nun überrascht über die sich herstellende Zusammenfügung. Warum ich den Umgang mit den (wenigen) Farben, die ich besitze, so schätze, ist, weil das Bild einen anderen Blick auf das Gegenüber ermöglicht, d.h. ich befinde mich dem, was aus mir entstanden ist, zwar gegenüber, aber es stellt auch seine eigene Lebendigkeit dar. Alle Möglichkeiten des Ausdrucks ähneln sich auf eine bestimmte Weise. Die Dokumentation des Daseins ist in jeder Hinsicht unausweichlich. Das Aufregende an der Kunst ist, dass, einmal eingelassen, man ihr nicht entrinnen kann. Vielleicht gibt es doch noch einen Ausweg, aber es ist nicht etwas, das man bestimmen kann. Man kann es im Ahnen ruhen lassen. Menschen, die Kunst nicht interessiert (es muss sie geben), ahnen vermutlich gar nicht, wie viele Tode man sterben und welch ungeheurer Grad von Entzücken sich in einem einzigen Nu zusammenballen kann. Und dann wird man gepeinigt (zuweilen) von der eigenen Vorstellung. Ich kannte bestimmte Süchte der Wahrnehmung schon in meiner Jugend und hatte genug Raum zum Beobachten, wie ich selbst das ganze Spiel sehe. Wenn der Geist ein bestimmtes Maß an Freiheit erfährt, kann der Mensch sich in allem, was er wählt, erkennen. Das kommt einem eher natürlich vor und ist vielleicht auch von Beuys so gemeint gewesen, dass jeder Mensch sein eigener natürlicher Gestalter ist, wenn man ihn oder sie denn lässt. Aber zurück zum latent Peinigenden des Pinselvorgangs. Mir ist zum Beispiel am freien Umgang mit den Farben gelegen. Ich bin keine Malerin, sondern ich pinsle, um über das entstehende Bild etwas zu sehen (von mir?). Ich möchte nicht, dass hier Geschichten entstehen, ich widerstrebe dem Auftauchen von bereitwilligen Gesichtern. Manchmal kostet es Kraft, so ein Gesicht nicht zuzulassen, aber man spürt einfach, dass man es sich nicht zu einfach machen kann in der Bewegung der Prozesse, die sich in Gang setzen. Dann wiederum bin ich gezwungen nachzugeben, denn es setzt sich ein Sinn durch, dem ich nicht widerstehen kann, weil das geschulte Auge auch erkennen kann und muss, was zu einem spricht und was heraus will aus dem Bann des Abstrakten, das Abstrakte hier „nur“ als im Wesen lagernde Potenz gesehen. Ich bin, mit dem Pinsel in der Hand, immer eingestellt auf das, was ich mir als Zwischenräume des Seins vorstelle wie z.B. das, was zwischen den Dingen webt und sich verdichtet, das wenig Sichtbare, aber deutlich Spürbare, das Unleugbare der Atmosphäre, der man bei allem guten Willen auch in sich selbst nicht entrinnen kann, aber man kann darauf einwirken. Man kann beobachten, wohin der Kompass zeigt und sich an die Navigationsgeräte setzen. Und selbst, wenn man einen distanzierten Blick auf sich Formendes wirft, sagt es etwas über mich aus, für das ich mich auch noch entscheiden muss. Kann ich verstehen, was sich dort tummelt und Aussage macht über das Universum, in dem ich lebe?, das durchaus auch das Universum ist, in dem die Anderen ihre Universen durch die Gegend manövrieren. Und es kommt auch nicht, wie ich neulich von Hesse bestens artikuliert gefunden habe, darauf an, wie der Wind weht, sondern wie man das Segel setzt.
Manchmal, wenn ich ein Bild auf den Kopf stelle, bin ich verblüfft, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen des Gesehenen sind, obwohl es dasselbe Bild ist. Der Geist ist schnell und will die Dinge einordnen. Dem kann man an guten Tagen erfolgreich widerstehen.