abspielen

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Ich bin sicher, dass sich im Bereich des Sterbens und Erbens und Trauerns großartige Tragödien und Komödien abspielen und abspulen, denn es ist doch der eigene Film, der hier zum Tragen und zum Vorschein kommt. Und noch einmal von sich selbst zur Besichtigung freigegeben werden kann. Natürlich nur, wenn die Bedingungen dafür gegeben sind, oder meine ich (auch): jeder stirbt, wie er oder sie gelebt hat? Aber kann man denn an der Kunst des Sterbens tatsächlich ablesen, wie und als wer jemand gelebt hat? Es kann ja Jahrzehnte dauern, bis man überhaupt mal die Gelegenheit hat, einen sterbenden oder todkranken Menschen zu begleiten bis hin zum geheimnisumgaukelten EXIT. In einer der möglichen Varianten möchte man, wenn man denn darüber nachdenken kann oder will,  zum Beispiel gerne sofort weg sein, eben ohne das lange Leiden, die schmerzvollen Durchgänge bis hin zur Palliativmedizin, wo man dann allerdings den technischen und medizinischen Fortschritten zutiefst dankbar ist, denn sonst käme alles noch schlimmer. Wo doch eh schon alles schlimm genug ist, sodass einem der Gedanke kommen mag, ein Tod könnte auch in einer zeitgemäßen Stimmigkeit stattfinden (also zum Beispiel nicht in einem Krieg), und man hätte noch die Muße, sich dem Gate of Departure kontemplativ zu nähern, um Hände und Geist rauslockern zu können aus den Verstrickungen, den Anhänglichkeiten, den Bedürfnissen, den Zerwürfnissen, den Meinungen undsoweiter. Es weht ja, unbeirrt von unseren Einwänden, unbeirrt durch die Räume der epische Gong des Finalen, dessen Klang (unter sehr streng geordneten Bedingungen) vielleicht weitere Anekdoten auf Lager hat für die, oder besser „uns“ Weiterreisende, die wir ganz offensichtlich mit unserer Form sehr verknüpft sind, sodass das berühmt gewordene Prinzip des Loslassens sich beim Absprung als der eigentliche Geheimcode enthüllt.

 

* Venedig Biennale 20o7

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