endgültiges Anders

Im indischen Zeitenkreislauf gibt es tatsächlich eine positive Veränderung, wenn der Zeiger die Zwölf durchquert. Das Problem ist, dass niemand weiß, wie lange die geistige Umnachtung der Menschheit andauert, die man vor Zwölf vermutet, nein, nicht vermutet, sondern voll drinsteckt in ihren Ausläufern und Kanälen und Täuschungsmanövern. Denn selbst der Dunkelste unter uns, wenn es ihn denn nun gäbe, bräuchte ein Spielfeld, um sich und die mitgebrachte Last des Schicksals auszudrücken. Nun kann bekanntlich auch ein großer Druck  positive Auswirkungen haben. Man erwähnt im Orient gerne den Diamanten, aber zu diesem Hochdruck gehört auch das Geborenwerden, und eigentlich kann auch dieser Druck nur weichen, wenn die Ereignisse um das monumentale Geschehen so günstig wie möglich sind. Oft sind sie es nicht, und wir können davon ausgehen, dass da draußen mehr Verwundete und von Geburt an Geschädigte herumlaufen, als wir uns vorstellen möchten, können wir uns doch zuweilen unsere eigene Befindlichkeit unter den gegebenen Umständen kaum vorstellen. War ich trotz der dramatischen Lage gewollt, freute sich jemand über meine Ankunft undsoweiter, hinein in die Fragen, die wir uns immer wieder stellen, und weiter voran in die mögliche Freiheit einer eigenen Gestaltung, wenn einige Gesetzmäßigkeiten der Dramaturgie erfasst sind und der Wille zur Selbstgestaltung sich durchsetzen konnte. Allerdings heißt das Weltgefüge nicht umsonst „Drama“, denn wahrlich dramatische Dinge geschehen hier, die einen unaufhörlich zum Nachdenken anregen können, ahnt man nicht irgendwann, dass man selbst einmal ein Ende des Spiels bedeuten wird, während die Anderen weiterspielen. Daher bin ich der Pandemie auch zuweilen dankbar, nämlich (und nur als ein Beispiel) dass sie uns auf vielfache Weise über den Rand des Tellers schauen lässt, denn am Tellerrand kann man gemütlich entlangwandern in der Vorstellung, man käme zügig voran. Doch wenn dieser Sicherheitsgurt, als stetige Wiederholung des Gewohnten, einmal wegfällt, umgibt uns auf einmal die abgründige Tiefe dessen, was schon immer drumherum war. So entsteht wie von selbst durch den Druck dieses Schreckens, in das vollkommen Unbekannte geworfen zu werden, eine Gegenwehr. Auf einmal wollen ganz viele Menschen wissen, was denn eigentlich los ist, bei sich oder im Haus oder im Land oder in der Welt überhaupt. Ist etwas entgleist? Kann das, was geschehen ist, wieder heilen? Alle sind betroffen. Alle Räder der von Menschen konstruierten Maschinerie laufen auf Hochtouren. Ein Notfall ist eingetroffen, an dem alle beteiligt sind, und alles Lebendige will leben, solange es kann, das gilt auch für Viren. So taucht auf einmal aus dem Nebel des Ungewissen die dringliche Frage nach den Veränderungen auf. Muss ich oder will ich überhaupt und kann ich denn selbst etwas verändern? Vor allem da, wo mir das Vorgefundene unverrückbar schien oder noch scheint, bis endgültiges Anders eintritt. Wenn also etwas geschieht, was durch nichts mehr zu leugnen ist, und wenn diese durch Erkennen entstandene Klarheit sichtbar im Raum steht, dann ist Veränderung möglich, natürlich auch sie nur unter eigenen Bedingungen.

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