abschließen/nachwehen

Als ich dann gestern wegen den bedrohlichen rosa Staubwolken nur kurz hinausging, um was zu holen, habe ich das Frauenheer der Sweeper-Kaste gesehen, die offensichtlich organisiert wurden, um die Plage zu bewältigen, diesmal mit Hilfe eines Wassertanks. Für das indische Auge sind solche Bilder keineswegs verstörend, denn dafür sind die Sweeperinnen ihres Erachtens ja da, eben um alles, was sonst keiner säubern will, zu säubern, die Straßen mit den üblichen Dreckhaufen, die Toiletten, und nun das, was die Horden zurückgelassen haben, eine unvorstellbare Masse von Müll. Ansonsten wurde klar, dass nichts passieren würde im folgenden Jahr. Zu viele Interessen sind damit verbunden, und obwohl ein paar gute Ideen auftauchten unter uns, wurde mir eindeutig vermittelt, dass es hier um Politik geht und es besser ist, sich keine Feinde zu machen. Sicherlich werden Angst und Diplomatie oft verwechselt, was eben nur dazu führt, dass dann das „unvermeidlich“ Genannte auch nicht vermieden wird und weiter in verderbliches Gedeihen rollt. Manche Dinge können einfach weiter gehen, ohne zu schaden, wie gute Kunst z.B., vor allem, wenn sie dem Kunstmarkt nicht anheim gefallen ist. Aber kollektive Auswüchse, scheint mir, werden im Allgemeinen nur gestoppt, wenn genug schreckliche Dinge passieren, und das kann leider lange, lange dauern, wie wir mit dem Krieg in Syrien wieder einmal drastisch vor Augen geführt bekommen. Auch da das herzlose, politisch kontrollierte Toben, dem keiner mehr Einhalt gebieten kann. Uns werden dann die untröstlichen Bilder vor Augen gehalten, bis auch d a s wegen fehlendem Aktionsraum unendlich ermüdet, wissen wir doch, dass alles auch ganz anders laufen könnte, und dann doch nicht, denn es läuft ja bereits so, wie es ist. Das kenne ich in Indien von meinen ersten Tagen an: dass inmitten all des schönen Götterhimmels und seiner devoten Bewunderer eine gefährliche und dunkle Gefühlsmasse mitschwingt, eine inhärente Grausamkeit, die immer mehr zur Oberfläche drängt, je unzufriedener die Menschen mit ihrer Lebensform werden. Auch in der westlichen Philosophie wird zwischen Haben und Sein ein Unterschied gemacht, der zu bedenken ist. Denn das Immer-mehr-haben-wollen, wenn es die Masse trifft als ein Selbstverständliches, Unumkehrbares, ist mit Sicherheit einer der Auslöser, der durch sein Zurückgeworfensein auf das persönliche Wunschfeld dort den individuellen Neigungen nicht unbedingt, aber doch häufig, zum Opfer fällt. Dann wurde ich am Samstag Abend informiert, dass ein Tanzprogramm am See stattfindet, eine Stunde vor der täglichen Abend-Puja. Der Priester war der Initiator, das gibt’s auch. Es war ein wunderschöner, professioneller Tanz, ein junger Mann mit voll tätowierten Armen und offensichtlich vielen, vielen Jahre von Praxis hinter sich. Wie würdevoll die Kunst ist!, wie erfreulich! Immer noch muss sie um ihren Raum ringen, und wenn sie ihn bekommt, geht es allen so gut. Die Kunst verbindet und lässt doch die anwesenden BezeugerInnen frei in ihrer jeweiligen Eigenart, sie wahrzunehmen. Das ist ihre große Kraft.
Das Bild oben zeigt den Künstler. Da ich nicht öffentlich sichtbar mit meinem Smartphone photographiere, konnte ich nur bescheidene Aufnahmen machen. In der Spiegelung der beiden Bilder ist dennoch etwas geschehen, aber nur, wenn sie nebeneinander stehen.

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