Sobald ich in meinem Leben darüber nachdenken konnte, war mir das ‚Glauben‘ an irgendwas und irgendwen suspekt, oder war es zuerst nur der christliche Glaube, in dem man in diesem Land automatisch aufwächst, wo es irgendwie dazu gehört, dass man eine Kirche von innen kennt. An meine Konfirmation kann ich mich partout nicht erinnern, aber an den Satz, der mir dabei gegeben wurde und den ich nie vergessen habe. Und zwar schien er mir damals einfach normal, eben was zum Auswendiglernen, während ich ihn viel später geradezu sezierte. Wie?, er trug unsere Krankheit?, und lud auf sich unsere Schmerzen? Es kann ja sein, dass Tiefgläubige das bestätigen können, denn sie haben ihre Last mehr oder weniger abgegeben, weil der Herr angeblich alles besser managen kann. Und der Glaube soll ja Berge versetzen können. Gerade erinnere ich mich an die Erzählung einer Frau, die durch eine Schneelawine irgendwo in einem Luftloch gefangen war und sich durchgebetet hat bis zur Befreiung, das kann helfen, aber nur den Gläubigen. Für mich war der Glaube lange etwas, was Menschen dem Wissen vorziehen, oder die offensichtliche Ungewissheit des Lebens nicht aushalten. Aber dann ist es mir doch passiert. Ich bin in Indien natürlich mit den sehr verbreiteten Formen einer hohen Ebene des Wissens in Kontakt gekommen, was zeitweise sehr einleuchtend war, wobei mir besonders gefiel, dass hier auch die abstrakte Ebene einer exklusiv inneren Erfahrung angesprochen war. Die meditative Erfahrung also, in der man Verantwortung übernehmen musste für die Chemie der eigenen Ganzheit, das war erfrischend. Und doch war es immer und überall umringt von epischen Erzählungen, von Göttern und von der Dringlichkeit, sich für einen bestimmten Gott mit einem bestimmten Namen zu entscheiden, wobei man dazufügen muss, dass die patriarchalische Vorherrschaft hier deutlich zu spüren war und ist. Ja, es gibt auch die Göttinnen, meist zart und rein gestylt und vor allem deswegen von großer Anbetung begleitet. Die starken weiblichen Manifestationen werden eher gefürchtet, das bringt auch ein Kribbeln hervor. Kurzum, es ist alles was zum glauben, und wer nicht wissen will, muss glauben. Welches Wissen kann mir denn gefährlich werden oder Menschen in noch größere Angst versetzen, als sie sie eh schon haben. Vielleicht das Wissen, dass alles nur ist, was es ist, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Denn alles ist doch hier, vom Sternengefunkel bis zum Todestrakt. Auch das Wissen ist immer nur begrenzt und muss letztendlich weichen. Wem oder was? Man selbst muss weichen, damit man nicht im Weg steht, wenn das Tor sich öffnet.