still

Das Beste und Erinnerungswürdigste der meditativen Praxisjahre sind und bleiben in meiner Erinnerung die Stille-Sessions. Nicht nur konnte man täglich vor und nach den Unterrichtsstunden in Stille sitzen, sondern Stille wurde grundsätzlich geschätzt, und überall im gegebenen Rahmen gab es diese schönen Orte, in die man hineingehen und je nach Bedarf sitzen konnte, auch nachts. Überhaupt sind wir viele Nächte durchgesessen, gemeinsam und doch mit sich allein. Vor allem die Frauen wurden ermutigt und unterstützt, ihr Leben auf diese Weise souverän zu gestalten, und in der Tat hatte es lange Zeit etwas Tiefes und Lichterfülltes. Es kamen vor allem aus dem Westen immer mehr Menschen, die sich auf diesem Weg ausbilden wollten, oder ihrer Geschichte entfliehen, oder ihrer Einsamkeit. Es ähnelte in seiner geistigen Konzentriertheit und dem Tagesablauf ein bisschen dem KLosterleben, die Türen aber waren weit offen für jeden Ankommenden, allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt. Hat man das Glück gehabt, die Geräumigkeit innerer Welten als einen Genuss zu empfinden, verlässt einen diese Erfahrung nie wieder. Es ist eben nicht das Mit-irgendwas-beschäftigt-sein, in dem das Suchen nach Tätigkeit mit einer spürbaren Leere zu tun hat, die es zu überspielen oder mit Arbeit auszupowern gilt, sondern es ist das hellwache und bereitwillige Einlassen in den Raum an sich, so weit man ihn erfühlen kann, und darüber hinaus, denn irgendwann begegnet einem auch der Raum als ein Resonanzfeld, als ein Gegenüber, als ein Wesen eigener Existenz, das u.a. das Tragbare trägt, in das man eingebettet ist. Hier lernt man das, was oft an dem Begriff und der Erfahrung der Einsamkeit so gefürchtet und übergangen wird, hier lernt man es lieben, denn man hat genug Ruhe, sich im Inneren schweigend umzusehen. Möglicherweise liegt hier auch das Geheimnis weiblich geprägter Universen (nicht, dass das Universum genderorientiert ist, man muss sich zuweilen mit Worten begnügen) und ihrer oft aus Notlagen heraus und ohne Wahl gesammelten Kraft, die sich nun endlich in der Zeit einen eigenen Weg ins Außen bahnen kann. Hat Stille im Inneren einen Grundton gefunden, und ist der Teppich des Schweigens groß genug, um die Worte zu tragen, dann sind sie gut angebracht, wenn Weiteres über sie gelernt werden kann. Auch die Worte, im Sein geboren, haben ihre eigenen Wege und Schicksale, und ihre Freiräum, kein Zweifel. Es ist nicht zu leicht, angemessen mit ihnen umzugehen. Nicht angemessen an die Weltvorstellung oder die zahlreichen Ideen und Vorstellungen der Gesellschaften, sondern angemessen an die eigene Vorstellung der Welt und des Seins, das darin durch sich selbst sich gestaltend möglich ist, dann auch wieder mit Welt und Gesellschaft. Wenn die Frage nach dem Inhalt und der Substanz des Daseins auf den Titelseiten der Tageszeitungen zu lesen ist, als wären auf einmal alle wieder zu den Schulbänken zurückgekehrt mit den tieferen Fragezeichen, dann weiß man, dass was im Gange ist, an dem alle teilnehmen können. Ein Weg, der aus diesem potentiellen Chaos elegant herausführt, ist die Rückkehr zur Stille, wann auch immer, wie auch immer, wo auch immer. Der Genuss der Stille, der sich entspannende Körper, die beiderseitige Aufmerksamkeit auf das Wohlbefinden, das im Außen immer nur flüchtig zu finden ist.

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