verloren (?)

Aus dem Freundeskreis hat jemand unterwegs dieses Bild in Wuppertal gemacht. Dass es entdeckt wurde, macht die kühle Schönheit des Bildes aus mit dem Satz „Es ist noch nicht alles verloren“. Man möchte schon gerne wissen, wie er da hingekommen ist und was er wem so bedeutsam vorkam, dass er einen ordentlichen Platz bekommen hat. Ich bitte um die Erlaubnis, das Bild heute in meinem Blog zu veröffentlichen, auch weil es mir wie ein Satz vorkommt, über den ich noch nachdenken könnte, wen es sich ergibt. Und es ergab sich also, dass just in der „Zeit“-Ausgabe dieser Woche ein Interview erschienen ist mit Peter Handke ( das lesenswert ist), und in dem derselbe Satz vorkam wie in dem Bild. Handkes Satz lautet „Vielleicht ist ja auch noch nicht alles verloren“, da er in seinem Kontext meint, nach dem Ersten Weltkrieg sei eigentlich der Untergang schon besiegelt gewesen und in der Geschichte stecke der Teufel, was nun hier nicht weiter vertieft werden muss. Jeder kommt aus einer anderen Ecke des Labyrinthes in seine oder ihre Oase. Auf dem Weg kann man sich schon mal fragen, warum einem, oder muss ich „mir“ sagen, dieser Satz auch ziemlich trübsinnig vorkommt. Ja, ich kenne durchaus Momente, wo ich denke, sehr viel ging und geht verloren, das kann die Handschrift und die Präsenz von Notizbüchern sein, oder eine Ebene der Menschlichkeit, die man für selbstverständlich hielt. Überhaupt: das Selbstverständliche, das so viel Wirrnis hervorrufen kann, weil das Selbst (auch noch nicht für sich selbst klar definiert) noch gar nicht genug erfasst ist als ein Ort, von dem aus man solch einen Verlust  überhaupt reflektieren kann. Auf was genau zielt die Hoffnung, dass noch nicht alles verloren ist. „Alles“ kann in letzter Konsequenz nur man selbst sein, vielleicht ein Gefühl des Verlorenseins im Teufelskreis der Geschichte, persönlich oder politisch, der man sich ausgeliefert fühlt. In den ziemlich klugen Beobachtungen indischer Weiser, die, aus welchen Gründen auch immer, lange Jahre herumsaßen und hineinschauten in das äußere und innere Wesen der Dinge, in diesen forschenden Beobachtungen kamen sie zu der Erkenntnis, dass der Ablauf der Zeit nur kreisförmig sein kann. Tatsächlich wird auch hier diese Zeit, in der wir gerade leben, als eine Zeit großen Verlustes gesehen, eine trügerische Zeit, in der einem nichts übrig bleibt, als sich auf das eigene Auge zu verlassen und es zu fragen, was es wirklich sieht, und worauf es ihm ankommt, dem Auge. Denn es geht zwar einerseits um die Akzeptanz so manchen Verlustes, ohne den man gut leben könnte, aber andrerseits geht es auch darum, die Zeit gut zu nutzen. Ich denke, dass man vor allem in den „fetten“ Jahren, über deren Ende nun viel posaunt wird, sich mit den Dingen beschäftigen kann, die in den „mageren“ Jahren vielleicht nicht so viel Raum einnehmen können, weil es da oft um grundlegende Materialien geht, die der Mensch nicht mehr so leicht zur Verfügung hat. Was haben wir nicht alles vom persönlichen Haus aus über die vielfach verfügbaren Medien mitbekommen von Verlusten, unter denen Menschen zu leiden haben. Ganze Dörfer und Kulturen wurden von den Geschehnissen der Zeit mitgerissen, zerstört, dem Erdboden gleich gemacht, und die auf unmenschlichste Weise allen Sinnes entleerten Orte vermint undsoweiter. In der Mitte dieser Dunkelheit also, sagten die Weisen, muss geradezu automatisch und wie von selbst eine Ausgleichung erscheinen, von der man nur ausgehen kann, wenn man sie einmal als solche im Universum wahrgenommen hat. Es ist ja nicht so leicht, von dem ganzen abenteuerlichen Spiel, in dem alles möglich erscheint, freiwillig zurückzukehren zu sich und sich über die ganz persönlichen Verluste, die man zu beklagen hat, klar zu werden, bevor einem klar wird, dass diese Rückkehr keineswegs ein Verlust ist, sondern genau d i e Bewegung, die es einem erlaubt, tiefere Verbindung mit sich selbst aufzunehmen und zu schauen, wohin der Kurs nun wirklich gehen soll und kann. Was auch immer es sein mag, was man als verloren vermutet hat, so entpuppt sich doch die Akzeptanz des Verlorenen als eine Erkenntnis des Reichtums, definiert als die Wertschätzung dessen, was in der Tat meins ist, mein Leben nämlich, und was ich durch es gestalten kann, wenn aus dem Es tatsächlich ein Ich wird, das einzige, das man als GestalterIn im Hier und Jetzt zur Verfügung hat. Achach so grüblerisch, und das am Samstag, und der noch verregnet.

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