Schade, dass man als gerade Geborenes sich nicht dazu äußern kann, welche Vorstellungen man von seiner Existenz hat. Vermutlich wären die Aussagen aller PlanetenbewohnerInnen nicht so unähnlich, vom letzten, noch unentdeckten Stamm bis ins hochangelegte Wasauchimmer. Überall hätten Menschen gerne freundliche und unterstützende Eltern, keine Sorge um Essen und Trinken, und ums Kühlsein im Sommer und das Warmsein im Winter. Dann entspannt schauen können, was man so machen möchte mit der Zeit, die einerseits zu lang werden kann, um sie nicht bewusst gestalten zu müssen, und dann auch zu kurz, um sich mit all dem Erworbenen zu entkräften, was man nicht mitnehmen kann am unsicher gelegten Endpunkt. Sich also niederlassen können mit einer Tätigkeit, die Freude bereitet, weil sie einem entspricht und daher keinem Konkurrenzgedanken unterliegt. Es ist ja nicht das Besondere, was ein Mensch kann, sondern das Geheimnis der Zusammenhänge seines inneren Wesens, das durch geeignete Handlung zum Ausdruck kommen kann. So ein grundsätzlich simples Lebensmodell ist ja kein grober Hochmut, sondern erschwinglich für alle. Von da aus sieht man, wie kompliziert und komplex das menschliche Leben ist. „Karma“, nennen das die Inder, ein Schicksalspaket, das man mitbekommt, ohne gefragt zu werden, obwohl es hier natürlich wegen des Reinkarnationsgedankens so gesehen wird, dass jedes Leben das Resultat vergangener Leben ist usw. Auf jeden Fall hat man das Paket und muss, ob man will oder nicht, zuschauen, was man damit macht. Leider wird dieser Vorgang selten als unterhaltsame Anregung gesehen, weil der Weg oft mit so vielen Katastrophen gesät ist, sodass manche schon sehr früh nicht mehr wollen, und manchmal auch nicht mehr können. Das ist die Tragödie im Gegensatz zur Komödie, die man beide in ihrer puren und lehrreichen Form nur noch selten auf den Bühnen der Welt erleben kann. Es ist der Geist, der hinter den Stirnen nach wie vor seine Dienste anbietet, doch kann niemand wirklich die unbrechbaren Gesetze brechen: so wie ich hineinrufe, schallt es heraus. Das ist umwerfend wirksam in seinem Angebot der Notlösung, und auch der Nachfrage: wie rufe ich denn hinein, damit es mir entsprechend tönend herauskommt? Muss ich dazu nicht wissen, was für Gesänge in mir wohnen, und wieviel Unausgesprochenes, was noch die Bilder benötigt, vielleicht auch die Sprache. Und wieviel Stille in mir noch möglich ist, mit der ich ernsthaft umgehe als der Kompass für tonlose Töne. Ich finde es beunruhigend, dass es hier in Indien um mich herum so viele Selbstmorde gibt. Kinder bringen sich um, weil sie beim Mogeln erwischt werden, oder weil sie eine Prüfung nicht bestehen, oder weil sie gemobbt werden in der Schule etc. Wenn der alte Mönch auf meinem Weg mir fast täglich erzählt, wie genug er hat von allem nach diesem reichhaltigen Dasein, dann finde ich das letztendlich eine freie Entscheidung, wenn er „es“ zu Ende bringen will. Es ist gesund, dass man am Ende eines gut gelebten Lebens genug hat von der Vorstellung. Der Humor und die Freiheit sind immer noch da. Der Anspruch auf letzte Befindlichkeiten. Die Kultivierung einer Fähigkeit, das Unerwartete anzunehmen. Das Abschiedslied im Paket. Der Schwanengesang.