Alaaf

Datei:Heinrich Vogtherr d. J. Schalksnarr.JPG

Welcher Wüstenwind auch immer mich, die waschechte Berlinerin, in die Nähe von Köln gepustet hat, who knows. Beziehungsweise weiß ich es ja selbst, denn es war meine ureigene Entscheidung, die allerdings herzlich wenig damit zu tun hatte, dass ich irgendwo in mir eine Karnevalistin hätte entdecken können. Dafür gab es auch keine Gelegenheit, denn außer den Coronajahren war ich immer um dieser Zeit in Indien, von wo ich erst im März zurückkam. Natürlich gab es auch in der Kinder-und Jugendzeit in Berlin eine Fastnacht, und plötzlich möchte ich jetzt und hier einen original Berliner Krapfen essen, noch heiß und mit vom Negativen  unbesetztem Zucker überät, und dann der Vorstoß zu dieser köstlichen, dunkelroten Marmelade, na bitte, das sind doch Freuden, die man zum Beispiel heute, an Weiberfastnacht, angemessen ausdrücken kann. Da ich nun schon in dieser potentiell narrenfreien Sphäre gelandet bin, will ich auch erzählen, dass meine Mutter, als hochprofessionelle Modedesignerin selten zuhause, dann doch ihre Künste einsetzte, um uns sorgfältig und fachmännisch die gewünschten Kostüme zuzuschneidern. Das ist ja nicht uninteressant, wer man da unbedingt sein wollte, obwohl ich noch ein wenig weitergrübeln müsste, um zu verstehen, warum ich ausgerechnet Cowboy und in einem weiteren Jahr Page sein wollte, beides stand mir ausgezeichnet. Also eine agressive, dann auch eine milde Männlichkeit, denn der Page kam eindeutig von einem Lieblingsgedicht meiner Mutter, das ich zu meiner eigenen Überraschung auch heute noch auswendig hersagen kann, nämlich „Ich bin der Page von Hochburgund und trage der Königin Schleppe“. Offensichtlich war ich beeindruckt von der Tatsache, dass er, der Page, zwar auf einem Ausritt von der Königin geküsst wurde, darüber aber schweigen musste, weil er als Page zu diesem königlichen Mund keinen offiziellen Zugang haben durfte. Cowboystiefel und Cowboyhut waren auch cool, so bin ich nachträglich zufrieden mit meiner damaligen Wahl. Und lerne erst heute aus den Nachrichten, dass Weiberfastnacht 200 -jähriges Jubiläum feiert, also da, wo sie, die Frauen, sich zusammengetan haben und sind zum (wo sind sie nochmal hin?) Bürgermeisteramt und haben den Schlüssel zur Regierung an sich gerissen, sorry, ich bin noch nicht ganz fit in der Story. Auf jeden Fall schneiden sie nur heute die Krawatten der Herren ab, sonst käme man ja in den Kittchenkasten. Gerne würde man im Sinne kluger Narreteien weissagen, dass sich zum Glück seither viel verändert hat, das Saufen und das Schnaufen und das Raufen, aber diese Gedanken würden natürlich die ausgelassene Stimmung der Feiernden unnötig beschweren, und ich selbst muss damit leben, dass ich keine schöne, weise Närrin gefunden habe für mein obiges Bild, sondern der klassischen Vergangenheut noch einmal Vorschub geleistet habe. Helau und Alaaf, sagte die Fremde vorsichtig in den offenen Raum hinein.

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