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Es ist ja nicht so, als wären wir, die Travellers der Siebzigerjahre, völlig unbedarft in Nepal und Indien eingetroffen. In meinen Jahren der Mitarbeit im „Living Theater“ zum Beispiel hatten wir schwere politische Kämpfe ausgefochten und uns auf Weltbühnen dem direkten Kontakt mit dem Publikum ausgesetzt, damals ein Novum. Wir verlangten Dinge von den Menschen, die sie nicht umsetzten konnten oder wollten, wie das Verbrennen von Geld oder das Recht, sich zu entkleiden, symbolhafte Rituale, die Fragen aufwerfen sollten darüber, wer oder was eigentlich unser Leben bestimmt. Unter den waghalsigen Mitglieder(:innen) hatten wir auch einen Inder, Gene Gordon, vielleicht einer der sehr wenigen, glaubwürdigen Yogis indischer Herkunft, den ich selbst erleben durfte. Bei jeder verfügbaren Pause machte er Yoga-Übungen, während wir alle so taten, als wäre Meditation bei uns schon das Alltags-Normal. Wir riefen zur großen Selbstbefreiung auf, aber als einige der ganz Bereiten zu uns kamen, um unser Leben zu teilen, da wussten wir nicht, wohin mit ihnen. Über was für ein Leben sprachen wir eigentlich außerhalb der Theaterwelt? Judith Malina und Julian Beck waren geniale Pioniere der Zeit und taten, was möglich war, bis auch das sich nicht mehr als zeitgemäß erwies. Windhauch nach Windhauch, der Tod immer in Bereitschaft mit der Sense. Gerne würde man glauben können, dass vor allem die jungen Toten von den Göttern besonders geliebt werden. Dann begann die Bewegung nach Indien, wo die Schicksalswege wieder stark auseinander gingen, bis sich neue Stämme formierten. Neue Kostümierungen tauchten auf, spirituelle Schulungen kamen in Gang. Als ich selbst dann endlich wieder in Indien eintraf und den Ort gefunden hatte, an dem sich mein Leben gestalten würde, da wurde ich auch wie automatisch in eine geistige Praxis gedrängt. Allein der Wunsch, an einer Feuerstelle zu sitzen, war schon Programm, das eine Umsetzung brauchte. Mit der Umsetzung kam das System und die dazugehörigen Fragen, nicht immer so weit entfernt von den Fragen der Psychoanalytiker, letztendlich also Fragen an sich selbst, die der Entwirrung der eigenen Natur dienen und klarstellen sollen, wer da wo und wie und warum und wodurch sitzt. Also ich, die ich da sitze, mich frage, wer das ist, die da sitzt. Der Körper? Der Geist? Die Gewohnheiten, mit denen wir herumhantieren, als wären sie uns angeboren und dadurch unvermeidlich. Was gehört zu einem, und was nicht. Wie entsteht ein Gedanke, und wodurch können Gedanken den Weg versperren. Wenn es überhaupt einen Weg gibt, oder bin ich selbst der Weg, den ich gehe. Wir alle, wer immer das ist, sind sehr wissensvoll geworden in der Beantwortung all dieser Nachforschungen. Wir sehen, dass die ganz großen Themen auf den Titelseiten der Zeitungen erscheinen.  Wer bestimmt uns? Wie leben und für was leben wir undsoweiter. Was sich verändert hat, ist die Dringlichkeit, Klarheit der eigenen Wahrnehmung  zu schärfen, ohne auf letzte Wahrheiten fixiert zu sein. Das kosmische Spiel bietet einerseits sein letztes Kapitel, und andrerseits neue Meisterschaften an. Es geht um Leben und Tod, klaro.

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