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OMG (G for Goodness oder „O Meine Güte!) Ich wusste nicht, dass das kleine Video hier so riesig erscheinen würde. Es kam gestern aus Indien mit Reenas Kommentar. Walter Kaufmann war ein amerikanischer, jüdischer Musiker, der kurz vor der Machtergreifung der Nazis nach Indien ging, um dort Musik zu studieren. Wegen der politischen Situation konnte er nicht mehr zurückkehren und arbeitete in Bombay  u.a. für „All India Radio“. Reena erzählte mir, dass in ihrer Kindheit ganz Indien morgens diese Melodie hörte, also ein paar Minuten Walter Kaufmann auf der Geige. Man kann sich ruhig mal dem Staunen überlassen über die außerordentlichen Schicksalswege der Menschen. Von einem System kann er gejagt werden für etwas, was er nicht ändern kann, und von einem anderen dankbar empfangen werden und kann bereichern durch einen Violinenklang. Dieses Durchhaltevermögen und allen Widrigkeiten zum Trotz etwas Bereicherndes erschaffen zu können, das entlässt Kräfte, die man vielleicht sonst gar nicht entfalten könnte. Oft nimmt man ja die komfortable Ebene als die endlich erreichte Wunschvorstellung von einem guten Leben. Aber folgt der Geist erst einmal brav den vielen heraussprudelnden Wünschen, gibt es oft keinen Einhalt mehr, so, als bestünde das Leben aus einer kontinuierlichen Wunscherfüllung. Nun, da wir wissen, dass das kein Ende hat, ist das System selbst nicht mehr zu stoppen. Kauft!, heißt es, und das ohne Worte, sonst gibt’s davon bald nichts mehr, Licht aus im Schlaraffenland. Deshalb ist es hilfreich, sich wieder auf  die geistigen Fähigkeiten zu besinnen und dementsprechende Entscheidungen zu fällen. Hier geht es um die Entscheidung zwischen freiwilligem Sklaventum und einer Meisterschaft ohne jede Garantie, nur für den eigenen Antrieb und ohne Erwartungshaltungen. Natürlich ist das schwer beeindruckend, wenn Master Shi Heng Tzu seine sichtbare Vollkommenheit vorführt, kein Zweifel. Manches entdeckt man zu spät und kann nicht mehr daran teilnehmen, weil einem diese Meisterschaft versagt bleiben würde. Aber selbst die Martial Arts Belt-Träger:innen sind noch Teil einer Institution. Was macht so einer am scheinbaren Ende seines Zieles, also wenn das zu Erreichende erreicht ist. Meist wird gelehrt, so wird das Brauchtum erschaffen und kann später nicht mehr abgeschafft werden. Denn selbst der vollkommenste Weg wird nur für ein paar weitere Praktizierende der vollkommene Weg sein. Wichtig erscheint mir, dass man den eigenen zuweilen erforscht auf seine Wachsein erfordernde Gehbarkeit, bei der das Komfortable nicht das Vorherrschende ist.

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