ich selbst?

Um das Ich herum, das jeder hat, ist viel gerätselt worden. Den einzigen lebendigen Ton, den ich von meinem Vater, den ich nicht kannte und kenne, einmal gehört habe, ist ein Lied, das mit den Worten endete: „Halt mir den Spiegel vors Gesicht, bist du’s oder bist du’s nicht?, nach wie vor eine spannende Frage. Wie oft hat man Menschen sagen hören, dass sie nicht mehr wissen, wer sie sind, oder neben der Kappe stehen, oder außer sich sind. Wo und was aber ist die Kappe? Oder wohin regt man sich auf, und was regt sich, und was bleibt da. Ich fand immer interessant, dass Sigmund Freud einst die Psychoanalyse als etwas sah, das Menschen helfen konnte, sich selbst zu verstehen, und es ist kein Zweifel, dass diese neuerschaffene Welt unzähligen Menschen ermöglicht hat und weiterhin tut, ihre Geschichte besser zu verstehen, und das, was wir damit identifizieren und dadurch glauben, es zu sein, oder auch sind, wie man möchte. Da die Ich-Kultur im Westen so ausgeprägt ist, fanden es viele von uns Indienreisenden interessant und abenteuerlich, dass so ziemlich alle geistigen Lehren dort das Ich als eine hinderliche Verhaftung sahen auf dem Weg in ein Seinsfeld, das dieses Aktionsfeld Ich zwar zur Verfügung hatte, dass man es aber nicht war oder ist. Der Buddha hat, wie man weiß, auch ein Selbst geleugnet, da er offensichtlich bei eigener Tiefendurchleuchtung nichts fand, was diese Idee rechtfertigte. Auch bei uns gibt es ja das anspruchsvolle Wort „selbstlos“. Was passiert, wenn man das Selbst, soweit für  einen vorhanden, loslässt, und was bleibt? Nicht nur Freud grübelte gegen Ende seines Lebens über die Antike und den Buddhismus nach, vielleicht auch, weil man hoffte, ohne Gott ein Stück weiter zu kommen. Und wenn man auch den Weg vom Es zum Ich ging, war die Frage damit ja nicht beantwortet. Es ist eine durchaus logische Sichtweise, dass hier der Weltgeist permanent dabei ist, sich umzusetzen als die Manifestation der derzeit möglichen Form. Unser Antrieb also der Geist, der das Ganze prägt und nichts anderes sein kann als das, was es jeweils ist. Man könnte sich durch diesen Gedanken beklemmt fühlen, scheint es doch so, als wäre man aus der Meisterrolle gekippt und vom Seinsstrom einfach weitergespült, was ja auch teilweise so ist. Doch sehe ich, dass Freiheit, sofern erwünscht, mehr mit dem Lassen der Ichverhaftung zu tun, an einem bestimmten Punkt, zu einer bestimmten Zeit, die sich selbst ergibt aus den Zusammenhängen. Und wenn man mal die eigenen Identitätsstrukturen lockert, kann man feststellen, dass ein frischer Wind spürbar ist, ein Hauch, eine Ahnung von wirklicher Freiheit, die die Seins-und Ichmaterie als Spielfeld zur Verfüging hat. Vielleicht ist es nur das Gefühl, unbeschwerter zu sein und dadurch ganz und gar präsent auf dem Spielbrett.

 


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