Wechselbad

Unterwegs suchte es in mir nach dem Begriff „Wechselbad der Gefühle“, als ich heute früh bei der See-Umrundung ein weiteres indisches Phänomen beobachten durfte. Seit einiger Zeit gibt es über den Devotionalienangebotstischen (geht doch!?) neue Dächer zum Schutz gegen Sonne und Affen usw. Nun hat sich bald ein neuer Spendentrend herauskristallisiert, und zwar werfen die Devotees Körner auf die Dächer, damit die vielen schnabulierenden Tauben Musik machen, die klingt wie der herbeigesehnte Monsoonregen. Ich sage zu dem Mann, der gerade in dieser Tätigkeit auf einer kleinen Leiter steht, die der Kornverkäufer dort für die Spender eingerichtet hat, ah, sage ich, „sangit karo“, du machst Musik. Herzliche Freude über die gelungene Verständigung. Ein paar Schritte weiter schleppt sich ein Hund mit Krebsgeschwüren durch die Gegend, etwas weiter schläft eine erschöpfte Mutter auf den Stufen, ihre zwei verwahrlosten Kinder tasten sich gefährlich an der Steintreppe entlang. Das ist ja alles noch harmlos, aber regt dennoch den Gedanken und die dazugehörige Praxis an, wie man in einer Welt wie der heutigen adäquat mit sogenannten Gefühlen umgehen kann und soll und darf und will, oder auch nicht. Fasziniert starre ich auf das Bild der Sondereinheit, die den Straßburger Täter erschießen konnte. Ja hallo Isaac Asimov, dachte ich, da sind wir doch mittendrin im Science Fiction Dreamland. Wie oft sind wir mittendrin und merken es gar nicht. Und wie oft werden wir noch froh sein müssen, dass immer perfektioniertere Spezialeinheitler jemanden erschießen, damit wir nicht grundlos erstochen werden auf freier Flur? Und diese ungeheure Herausforderung und Verantwortung des Selberdenkens. Ein renommierter Irgendwer schreibt in der ‚New York Times‘ einen vielbeachteten und in viele Sprachen übersetzten Artikel darüber, dass Deutschland nach Angela Merkel in die Tiefen des unüberschaubaren Hades absackt, natürlich in meiner Formulierung, und schon rasen Angst-und Häme-Moleküle durch den Äther…ohweh ohweh, der Abstieg, so lange ging’s uns gut und wir merkten es kaum, oder haha haha, runter mit den Besserwissern und ihrem mysteriösen Aufstieg aus der Hölle des Elends. Man lese dazu ‚Die göttliche Komödie‘, wo die beschriebenen Qualen selbst über das Hörbuch sehr viel Geduld erfordern. Wer weiß schon, und warum weißt du, Famous Article Writer, dass es mit Deutschland bergab geht. Das kommt auf sehr viele Dinge an, auch auf Gedanken, die Menschen sich selbst machen. Das ist in der Tat ein Balanceakt, das Eine nicht zu übersehen, und sich auf das Andere wirklich zu konzentrieren. Ernst zu nehmen, wer man ist, und in gesundem Maß. Und das Gute und das Schöne nicht aus den Augen verlieren, nicht verlieren aus den Augen. Kann so ein highly durchtrainierter Spezialeinheitsanzug auch schön sein? Mit vielem ist man allein, und es schadet nicht, einiges in feiner, angemessener Schwebe zu halten.

Der Mann auf dem rechten Bild oben ist ein Einheimischer, der eines Tages vorüberging, als ich ihn vom Fenster aus photographierte.

 


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