Strom

 

Beide Bilder sind aus der Times, und das obere zeigt einen Zug, der letzten Sonntag den Bahnhof von Tongi verlassen hat nach dem letzten Gebet der „World Congregation of Muslims. Ich hole meine Lupe und schaue mir näher an, wie sie, nein, nicht in panischer Angst, sondern locker am Zug rumhängen und offensichtlich eine gute Zeit miteinander haben. So viel Allah! Das regt mich an, mal nachzuschauen, wie viel Weltbevölkerung wir gerade haben. Von den genannten 7, 5 Milliarden, zu denen täglich 230.000 neue Menschen hinzukommen (pro Jahr 80 Millionen), zählte man in Indien (wie sie das gemacht haben, möchte ich auch gerne wissen), im Jahre 2017 1,32 Milliarden. Natürlich kann man das Strömen der Menschheit auf jeder Hauptstraße der Welt erleben, aber hier strömt es doch noch etwas ungehemmter, und hat schon manchen besuchenden Fremdling in die Flucht geschlagen. Je mehr sich dieses Volk aus der einst stabilen Ordnung herausbewegt, desto unberechenbarer wird die Masse. Innerhalb des Kasten-Systems und der Familienstrukturen bin ich immer ein angebundener Mensch, der weiß, oder dem beigebracht wird, wie die Dinge laufen. Das indische Volk ist, wobei man schon zögert und „war“ sagen muss, durch eine hohe Geistigkeit verbunden, und die höchsten Werte, die vermittelt wurden, waren immer sehr einfach. In der indischen Politik gibt es einen alten Mann, ein Nuklearphysiker und geehrt mit einer Goldmedaille, der fährt immer schon mit dem Fahrrad und trägt keine Schuhe. Ich bin keine Verehrerin von Ghandi und will auch nicht barfuß Fahrrad fahren, aber wenn man zuhört, wird man angeregt, wieder für möglich zu halten, dass das einfach gehaltene Leben doch das beglückende und bereichernde ist, jede/r auf seine und ihre Weise. Es ist ja nicht das offiziell Erreichte, was einen erfreut, sondern m.E. ist es die Kunst, wie man jeden Tag gestaltet, sodass es für die paar Jährchen zu einer inneren Zufriedenheit führt. Einfach und überzeugend fand ich auch immer, dass es hier einerseits das Familiensystem gibt, aber andrerseits auch sehr viele Wege, sich allein den inneren Prozessen zu widmen und ganz für sie zu leben, wenn man sich dafür geeignet hält. Beide Wege sind mit hohen Disziplinen belegt, die allerdings oft mehr individuelle Freiheit ermöglichen als im Westen, wo die sogenannte Freiheit eher zu einer immensen Bürde der Entscheidungen führen kann. Wenn ich manchmal am Fenster sitze und mir diese kommenden und gehenden Völkerschaften betrachte, die ihr Bad nehmen und sich dann niederlassen auf den Steinen, um das mitgebrachte Essen zu verzehren, bin ich auch oft gerührt, wieviel ungeheure Anstrengung das Leben für uns Einzelne erfordert, um letztendlich das zu sein und zu ergründen und zu leben, was wir uns für uns selbst vorgenommen haben.

 


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