weg

Seit die Frau mit dem Kind unter die Brücke gezogen war, hatte ich mir angewohnt, mich morgens dort auf meinem Weg ein paar Minuten aufzuhalten und Kleinigkeiten für das Mädchen mitzubringen. Aber heute, als ich mich dem Torbogen näherte und hineinschaute, waren sie weg. Ich schaute mich um: Plastikflaschen, zerissene Tücher, einen  goldenen Luftballon, den ich für sie mitgebracht habe, und dann die kleine, 5 cm hohe Figur von Krishna oben im Bild, die ich aus dem ganzen Müll dann herausgeholt habe und mitgenommen, und abends photographiert. Ich habe beide Bilder reingetan, weil ich mich nicht entscheiden konnte, welche mir „besser“ gefällt, bzw. fand ich es interessant, wie unterschiedlich der Ausdruck wurde durch das Licht. Und dass Krishna auf diesem einen der zahllosen Kitschdarstellungen ihrer Götter eigentlich verschmitzt aussehen soll, denn er liebt Süßigkeiten und ist berühmt dafür, sie zu stehlen, aber weil er so süß ist, kann ihm keiner böse sein. Nun sieht er ja vor allem im ersten Bild extrem sorgenvoll aus, was mich an das verschwundene Kind erinnert hat und meine eigene ohnmächtige Sorge um das Schicksal der beiden. Die Gründe solcher Dramen sind oft durchsichtiger und simpler, als man zu denken wagt. Das Ausgestoßensein der Frauen hat oft damit zu tun, dass die Neugeborenen Mädchen sind, und von den vielen Varianten des Mordens in Bezug auf dieses ganz und gar heillose Thema ist es sicher besser, überhaupt eine Chance zu haben, das gegebene Leben zu erfahren. Who knows. Wenn ich solche Themen unterwegs anspreche, stoße ich immer auf Widerstand und werde nicht müde zu wiederholen, dass ich nicht sehe, dass  „Gott alles macht“, wobei ich mich auch da vorsichtig ausdrücken muss und nicht sagen kann, dass mich keinerlei Gottesgestalt formhaft umweht und begleitet, sondern ich bitte darum, ihn, den Gott, mit diesen unangebrachten Zuschreibungen nicht zu beleidigen. Alle sind überfordert mit eigenem Schicksal. Die technischen Traumwelten hatten hier leichtes Spiel, und es ist nur der übergangslose Sprung in die neue Tiefe, die sie gefährlicher macht, als wenn man bei den Entwicklungen mitgehen kann und geschult ist, sich zu entscheiden.
Dann kam während meines Sitzens die Nachricht von Toffee, ein winziger hellfarbiger tibetischer Hirtenhund, der mich jedes Jahr verblüfft hat mit seiner intensiven Zuneigung, sodass Bruno, der Schäferhund und Toffees Freund, anfing zu knurren. Obwohl Bruno nie Salzgebäck mochte, musste ich ihm immer diesselbe Menge geben wie Toffe, der Namkins liebt(e). Diesmal hat er mich nicht erkannt, weil er nur noch ein einziges, zitterndes Krebsgeschwür war  und Sakshi zu anhänglich an ihn, um ihn von seinen Qualen erlösen (lassen) zu können. Außerdem ist sie Ärztin und leitet die Intensivstation eines Privatkrankenhauses (mit Zugang zu schmerzstillenden Medikamenten). Dort hat sie wohl gestern einen Mann behandelt, der darum gefleht hat, sterben zu dürfen. Da hat sie sich entschieden, und nun ist Toffee auch weg. Wenn man einen Menschen oder ein Tier geliebt hat, und auf einmal ist er oder sie oder es nicht mehr da, da kommt automatisch so eine Trauer in einem hoch. Vorbei das schöne Miteinander, das lebt jetzt in Bildern und Gefühlen im Irgendwo. Da kann man noch einmal spüren, wie es sich anfühlt, wenn einem etwas kostbar war und unersetzbar, und die Trauer ist auch eine Form der Dankbarkeit, dass man es erleben konnte und kann.
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